Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?
die Nase gehauen. Als Jan zurückschlug, verlor Martin einen Vorderzahn, der schon vorher wackelte. Es gab also überhaupt keinen Grund, zu jammern und zu schimpfen.
Jan mußte erst nach Weihnachten wieder in die Schule.
Heute hatte er seinem Hund alles über die Schule erzählt. Seinem Hund, den er am Samstag bekommen würde.
Noch etwas erzählte Jan seinem Hund: Wie er immer seinen Willen durchsetzte, als er noch klein war.
Er legte sich auf den Rücken, strampelte mit den Beinen und brüllte aus Leibeskräften.
Unter der Familie Andersson wohnte eine alte Frau, die sofort Kopfschmerzen bekam, wenn sie ein Kind schreien hörte.
Mama tat die alte Frau leid. Deshalb erreichte Jan fast immer, was er wollte.
Er brauchte keinen Lebertran und keine grünen Erbsen zu essen, brauchte sich die Haare nicht waschen zu lassen und durfte abends länger aufbleiben. Manchmal bekam er ein Stück Kuchen, damit er sich beruhigte, manchmal aber auch eine oder zwei Mark.
Einmal versuchte Jan diesen Trick vor einem Spielwarengeschäft.
Er hätte das rote Auto im Schaufenster auch bekommen, wenn dieser dumme Polizist nicht stehengeblieben wäre und zu Mama gesagt hätte: „Sie haben aber ein anmaßendes Kind, junge Frau.“
Anmaßend — das Wort beeindruckte Jan so sehr, daß er sofort aufhörte, zu schreien und zu strampeln.
Das alles wollte Jan seinem Hund erzählen. Am Samstag würde er ihn zum erstenmal streicheln.
Jan nahm seinen alten Teddybär in die Arme und spielte, Nalle sei der Hund. Es war angenehm und beruhigend, das Kinn an den weichen Pelz zu schmiegen und alles zu erzählen, was ihn bedrückte oder beglückte. Jan berichtete von seinen Eltern, die ein Lebensmittelgeschäft auf der anderen Straßenseite besaßen.
„Hackfleisch bekommst du“, versprach er, „soviel du fressen kannst.“
Jan erzählte weiter, daß Papa jetzt mehr arbeiten mußte, weil sein Junge krank im Bett lag und jeden Tag eine Kinderschwester brauchte.
Jan wurde traurig. Wie sollten Mama und Papa noch Zeit für einen Hund haben?
Mama behauptete immer, er sei so anstrengend und schwierig wie zehn normale Kinder.
„Wie ist denn ein normales Kind?“ wollte Jan dann wissen.
Diese Frage konnte seine Mutter natürlich nicht beantworten. „Ich muß mich schon so lange mit dir herumärgern, daß ich das ganz vergessen habe“, entgegnete sie unsicher.
Papa, der das Gespräch gehört hatte, lachte und meinte: „Wenn Erwachsene von einem normalen Kind sprechen, meinen sie eins, das lieb und brav und immer sehr folgsam ist.“
Am Freitag durfte Jan aufstehen und sich anziehen.
Er saß auf der breiten Fensterbank und beobachtete die Straße und das Geschäft gegenüber. Er war sich selbst und seinen Träumen überlassen.
Seine Eltern mußten den ganzen Tag im Laden sein. Manchmal standen sie an der Tür und winkten.
Seine Mutter brachte ihm ab und zu leckere Sachen zu essen und Himbeersaft zu trinken. Sie strich ihm aufmunternd über die Haare und legte die Hand auf seine Stirn. Dabei wollte sie feststellen, ob er Fieber hatte oder nicht.
„Du willst bestimmt bald wieder in die Schule“, meinte sie.
Jan schüttelte den Kopf und sagte nur: „Die Schule ist doof!“
„Du verträgst dich nicht mit den anderen Kindern“, stellte seine Mutter traurig fest. „Das mußt du aber lernen, mein Junge. Jeder Mensch braucht Freunde.“
Zum Glück winkte in diesem Augenblick Papa und forderte Mama auf, schnell ins Geschäft zurückzukommen.
Sonst hätte sich Jan noch verraten und behauptet, er brauche keine Kameraden, wenn er nur seinen Hund habe.
War es ein kleiner Dackel? Oder bekam er einen riesengroßen Bernhardiner? Hatte der Hund glattes und kurzes oder langes und krauses Fell? Besaß er schon einen Namen?
Das alles hätte Jan zu gern gewußt.
Ein großer Hund würde ihn vor Martin beschützen, überlegte Jan. Aber einen kleinen konnte er mit ins Bett nehmen.
Es fing an zu schneien. Dicke weiße Flocken wirbelten fröhlich am Fenster vorbei. Jan wurde es ganz schwindlig vom Zusehen.
Die Menschen auf der Straße zertraten achtlos die hübschen großen Flocken.
Morgen war endlich Samstag. Jan lag hellwach in seinem Bett und konnte nicht schlafen.
Er wußte genau, was für eine Überraschung ihn erwartete.
Er drückte Nalle ganz fest an seine Brust und dachte noch einmal über alles nach.
Sein Kopf brummte. Es klang wie das böswillige Surren einer lästigen Fliege, und seine Gedanken wirbelten durcheinander: Mama und Papa
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