Wer paßt schon gern auf Mädchen auf?
und klatschte begeistert in die Hände. „Ihr braucht mir auch nicht zu Weihnachten und zum Geburtstag zwei Geschenke mitzubringen. Ein Geschenk reicht mir.“
An diesem Abend saß Mama in ihrem roten Stuhl. Sie hatte Stina auf dem Schoß und las aus einem Märchenbuch vor.
Papa schaute erst sie und dann Jan an. Nachdenklich holte er das Schachbrett.
„Willst du Schachspielen lernen?“ schlug er vor. „Wir Männer müssen zusammenhalten.“
Er wollte Jan trösten, weil Mama so lieb zu Stina war. Außerdem sollte Jan nicht mehr an Weihnachten denken.
Die Gardinen waren zugezogen. Die Lampe verbreitete mildes, gedämpftes Licht.
Es hätte einer jener gemütlichen Abende sein können, an denen es außer der Familie Anders-son nichts und niemand auf der ganzen weiten Welt gab: kein Geschäft, in dem Mama und Papa arbeiteten, keine Schule und vor allem keinen Martin.
Jan mußte lachen. Er dachte an Martins verdutztes Gesicht, als Stina einen Knicks vor ihm machte. Ohne sich zu bedanken, nahm Martin den Ball und rannte weg.
Schach war ein schwieriges Spiel.
Natürlich mußte Stina sich sofort einmischen. Sie wollte mit den Schachfiguren spielen und schnappte Jan ein Pferd weg.
Aber Papa sagte: „Das darfst du nicht!“
„Jan hat doch sieben, elf, hundert davon.“
Stina konnte noch nicht zählen! Sie brüllte wie am Spieß, weil sie das Pferd nicht bekam.
Jan nahm es ihr nicht übel. Er wußte ja, daß sie dumm war.
Mama seufzte. „Man rechnet nie damit, daß jemand krank wird.“
Erst lag Jan so lange im Bett. Und jetzt hatte sich ausgerechnet Frau Lundström erkältet und konnte Papa nicht mehr im Geschäft helfen.
„Ich kann mich doch nicht zerteilen und an zwei Stellen gleichzeitig sein“, jammerte Mama. „Ich habe tausend Dinge zu tun.“
Mama konnte auch nicht gut zählen. Sie wußte sicher nicht, wieviel tausend war.
„Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Kinder mit ins Geschäft zu nehmen“, meinte Papa achselzuckend.
„An einem Montag! Heute kommen neue Waren, die wir auspacken und ordnen müssen. Und der Laden ist meistens voller Kunden“, klagte Mama. „Sag mir, wo da noch Platz für die Kinder ist. Sag es mir!“
„Legt Stina doch ins Schaufenster“, rief Jan, „als Schweinefleisch!“
Natürlich waren seine Eltern mit diesem Vorschlag nicht einverstanden. Stina übrigens auch nicht.
Also blieben Jan und Stina ganz allein zu Hause.
Mama wollte zurückkommen, sobald die wichtigste Arbeit im Geschäft erledigt war.
Jan mußte versprechen, nett zu seiner kleinen Kusine zu sein. Er kletterte auf die Fensterbank. Das war sein Lieblingsplatz. Jan fing an zu pfeifen. Er wollte nicht hören, wie Stina seine Schubladen herauszog, seinen Schrank öffnete und in seinen Spielsachen wühlte.
„Unter uns wohnt eine böse alte Frau“, sagte er drohend. „Sie bekommt Kopfschmerzen, wenn man nur hustet. Wenn du weiter solchen Krach machst, beißt sie dich in den Finger.“
„Alte Frauen können gar nicht beißen. Sie haben keine Zähne“, widersprach Stina selbstsicher. „Nur Hunde beißen.“
„Es gibt nichts Besseres und Klügeres und Treueres als Hunde“, rief Jan aufgeregt.
„Stimmt!“ sagte Stina. „Du hast recht. Ich habe selbst zwei Hunde.“
„Du lügst!“
„Nein! Das tue ich nicht. Ich habe zwei Hunde.“
Jan durfte nicht streiten. Er hatte sein Ehrenwort gegeben. Außerdem glaubte er, daß Stina alles besaß, was er sich vergeblich wünschte.
„Hast du auch ein Fahrrad?“ fragte er.
„Ein Dreirad“, antwortete Stina. „Aber das ist kaputt.“
Jan preßte seine Stirn gegen die kalte Scheibe. Das tat ihm gut. Hatte er Fieber? Daran war bestimmt wieder Stina schuld.
Er würde auch noch Kopfschmerzen bekommen, genau wie die alte Frau unter ihm, wenn Stina weiter so laut und rücksichtslos polterte.
Stina zupfte ihn am Ärmel. „Spielst du mit mir Kaufmann?“
Sie hatte Mamas Bügelbrett über zwei Stühle gelegt. Obendrauf standen alle Stofftiere in einer Reihe.
Stina deutete auf Nalle. „Schweinefleisch“, rief sie, „prima Schweinefleisch.“
Zuckerstücke dienten als Geld, und die Haushaltsrolle aus der Küche sollte Einwickelpapier sein. Die Bauklötze stellten Kartoffeln dar.
Jan mußte zugeben, daß das ein guter Einfall war. Aber er wollte nicht mit Stina spielen.
Wie zufällig stieß er mit der Hand ein wenig gegen das Brett. Das genügte. Es fiel auf den Fußboden. Geld, Einwickelpapier und Kartoffeln... Aber nein. Wie dumm!
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