Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
leben? Sollte die NSA sie ungeschoren lassen, weil dann nur andere, ihnen unbekannte an ihre Stelle treten würden? Würde die NSA in ihrem blindwütigen Haß nicht vielmehr jeden vernichten, dessen sie nur habhaft werden könnte? Würde sie nicht versuchen, sie festzunehmen und in den Videokammern auszupressen? Meine Antwort: Die NSA kennt die Mitglieder des Inneren Kreises nicht. Wie aber ist das möglich, wenn sie doch unbestreitbar Informationen bekommt, von denen niemand außerhalb dieses Kreises weiß?
Zweitens: Es erscheint nicht nur als unmöglich, daß ein Außenstehender die IK-Tagungen belauscht, durch die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen erschien es auch als unmöglich, die Informationen weiterzugeben, es sei denn, wir wollten ein ganzes Spionagesystem annehmen, dessen Kopf ein IK-Mitglied ist.
Die dritte Ungereimtheit: Daß einer von euch ein Verräter sein sollte. Ganz abgesehen von dem unendlich harten, überprüfbaren Weg, den jeder zurückgelegt hat und den niemand durchgestanden hätte, der nicht für unsere Sache aufginge, wo sollte das Motiv sein? Was könnte die NSA denn Verlockendes bieten? Wenn einer von euch ein sorgloses Leben führen wollte, er würde die Möglichkeit finden, nach DRAUSSEN zu gehen; und niemand würde es verargen, wenn einer erklärte, er sei jetzt müde und im Kampf verbraucht.
Meine vierte Überlegung: Warum hatte mein Devlin nur vermutet, daß ich ein Bruder sei? Wenn es einen Verräter im Inneren Kreis gäbe, würde er nicht als erstes unsere Kundschafter ausspionieren? Wieso kannte die Drossel mich nicht?
Den letzten Anstoß bekam ich, als ihr in die ’Stummzeit‹ gingt und so die Drossel zum Schweigen brachtet. Gewiß, das konnte ein zufälliges Zusammentreffen sein; vielleicht war nur der Informationskanal irgendwo unterbrochen. Wenn es aber kein Zufall war? Konnte die Drossel nur hören und nicht sehen?
Das würde erklären, warum die NSA die Namen der IK-Mitglieder nicht kennt: Sie werden nie ausgesprochen. Das würde auch erklären, warum Devlin nicht wußte, wer ich bin: Die Namen und Dats der Kundschafter werden nie genannt. Ich prüfte noch einmal, was wir durch unseren Mann in ’Hollywood‹ wußten, gewiß, es war keine vollständige Übersicht der verratenen Informationen, aber sie hatten eines gemeinsam: Es handelte sich nur um Informationen, die mündlich gegeben worden waren, in keinem Fall aber um optisch oder elektronisch auszuspähende Fakten. Ein Zufall?
Andererseits finden alle IK-Tagungen in abhörsicheren Katakomben statt, die regelmäßig überprüft werden, so daß es nicht möglich ist, ein Mikrophon oder einen Recorder zu installieren. Da sagte Napoleon –«, Timothy machte eine verlegene Handbewegung, »so nenne ich meinen Computer. Napoleon sagte, dann müsse einer der Tagungsteilnehmer das Gerät mitbringen. Das sei unmöglich, wandte ich ein, schon der Wahrheitstest schließe aus, daß einer ein Spion sein könne. Er antwortete: Vielleicht unbewußt?
Ich habe daraufhin die technische Durchführbarkeit überprüft. Ja, es ist möglich, nicht nur ein Mikrophon, sondern einen ganzen Sender oder einen Recorder in einen Körperteil einzupflanzen.«
Ein Stöhnen ging durch den Raum, auf dem Bildschirm flackerte es wild durcheinander.
»Die jahrelange wartungsfreie Stromversorgung mit einer Atombatterie ist kein Problem, ich trage selbst eine für meinen Herzschrittmacher unter dem Arm. Solch ein Gerät würde auch die Weitergabe der Informationen erklärbar machen: Sie könnten irgendwann, beispielsweise im Schlaf, abgerufen und dann von einem unverdächtigen Mann sichergestellt und weitergeleitet werden. Aber, so fragte ich mich, sollte das nie aufgefallen sein? Sicher werdet ihr regelmäßig und gründlich von guten Ärzten betreut, ein implantiertes Gerät müßte sich doch in der Röntgenaufnahme oder durch Anomalien des Blutkreislaufs oder was weiß ich verraten.«
Timothy mußte eine Pause einlegen. Sein Mund war strohtrocken. Patrick reichte ihm ein Glas Wasser. Alle starrten ihn an.
»Mikrophon und Recorder«, fuhr Timothy fort, »sind so simple und alltägliche Geräte, daß niemand, ich eingeschlossen, sich darüber noch Gedanken macht. Aber jetzt wußte ich, wonach ich suchen mußte, und ich fand es in einer fast fünfzig Jahre alten Aufzeichnung: eine Erfindung, die wieder verschwand, weil sie mit so hohem Aufwand verbunden war, daß es unsinnig gewesen wäre, sie industriell zu verwerten – elektronische Bauelemente
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