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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Paul wieder an und schüttelte den dicken, bärtigen Schädel. »Warum mußte das alles so kommen? Deine Mutter und auch dein Vater könnten noch leben, aber diese Teufelsinsel hat sie aufgefressen. Sie war kein Paradies, sie war die Hölle. Ein Glück, daß du vernünftig denkst, Paul …«
    »Eben darum bin ich zu Ihnen gekommen, Pater.« Paul Bäcker legte den Arm um Rainu. Langsam gingen sie zu dem langgestreckten Missionshaus, das zwischen einer Gruppe hoher Palmen gebaut war. Die Kirche stand auf einer niedrigen Anhöhe, und das Kreuz auf ihrem schlanken Turm ragte ein wenig über den höchsten Palmwipfel heraus. Es war ein Symbol, und Pater Pierre hatte es in diesem Sinn errichten lassen. Das Kreuz über allem …
    »Ich habe viel mit Ihnen zu sprechen«, sagte Bäcker. »Ich stehe vor einer Weggabelung und weiß nicht, welchen Weg ich weitergehen soll. Das heißt – ich weiß es, aber ich will von Ihnen hören, daß es ein guter Weg ist. Eines will ich auf keinen Fall: umkehren. Jeder Mensch muß ein Ziel haben, sagte mein Vater.«
    »Kommt mit ins Haus.«
    Pater Pierre ließ Bäcker vorangehen. Als Rainu plötzlich vor der Tür stehenblieb, sich abwandte und hinüber zu der Anhöhe ging, auf der die Kirche stand, hielt er sie nicht zurück. Er schob Bäcker vorwärts und schloß hinter ihm die Tür.
    »Laß sie«, sagte er. »Ich kenne diese Menschen. Sie sind ein stolzes Volk, man kann sie nie zu etwas zwingen. Aber wenn sie lieben, verliert das Leben alle seine Schrecken.«
    Sie setzten sich in die eigenhändig geflochtenen Korbsessel aus Bambus und Palmfasern und sahen sich dann eine Weile stumm an.
    »Was willst du mir sagen?« fragte Pater Pierre endlich. Bäcker holte tief Atem. Der Zwiespalt in ihm war größer als je zuvor.
    »Fangen wir an, Pater«, sagte er rauh. »Wenn ich mit meiner Geschichte zu Ende bin, können Sie getrost sagen: ›Du bist verrückt.‹ Vielleicht haben Sie sogar recht damit …«
    Es wurde ein langes Gespräch unter vier Augen.
    Während der ganzen Zeit saß Rainu in der kleinen Kirche vor dem Altar und blickte auf das von zwei langen Kerzen beschienene Marienbild.
    Sie war allein, der Wind sang durch das Holzschindeldach, die Wände knarrten, und die Kerzen flackerten im ständigen Luftzug.
    Mit großen Augen starrte Rainu das Bild an. Die Zeit floß an ihr vorbei, es wurde dunkel, die Abenddämmerung stieg aus dem Meer. Der kleine Kirchenraum wurde nur noch von den beiden Kerzen erleuchtet. Das vage Licht zauberte Schatten und Reflexe an die Wände. Es war, als beginne das Bild zu leben und das Lächeln der fremden Frau dort oben gälte allein der anderen Frau, die vor ihr saß und sie staunend anblickte.
    »Ich weiß nicht, wer du bist«, sagte Rainu langsam, als es ganz finster in der Kirche war. »Ich kenne dich nicht. Aber du hast ein Kind im Arm, und ich habe ein Kind in meinem Leib. Hilf mir, Frau. Gib mir Paulo zurück. Ich spüre, wie er langsam von mir weggeht … Frau da oben, ich liebe ihn … ich will ihn nicht töten, weil ich ihn liebe, aber ich muß ihn töten, wenn er mich verläßt … Verstehst du mich, Frau?«

XIX
    Am nächsten Tag, kurz vor Mittag, landete ein Flugboot aus Hiva Oa und nahm Bäcker und Rainu an Bord. Pater Pierre hatte es über Funk herbeigerufen.
    Der Weg, den Paul Bäcker gehen wollte, war klargeworden. Und Pater Pierre hatte prompt zu ihm gesagt:
    »Paul, du bist verrückt. Trotzdem bewundere ich dich. Aber das war schon bei deinem Vater so: die Bäckers als ewig Suchende. Doch wenn alle so dächten, gäbe es keinen Fortschritt mehr. Stell dir das vor: drei Milliarden Einsiedler! Das wäre der Untergang!«
    »Das wäre in der Tat furchtbar.« Bäcker hatte Pater Pierre lange die Hand gedrückt. »Aber jeder hat seine eigene Vorstellung vom Glück … ich habe die meine heute gefunden. Ich danke Ihnen.«
    Als sie mit dem Flugzeug hinauf in den unendlich blauen Himmel stießen, drückte sich Rainu ängstlich an Bäcker. Sie fragte nicht mehr – eine merkwürdige Ruhe war seit dem Gespräch mit dem Bild der fremden Frau über sie gekommen. Sie schloß die Augen vor dem blendenden Gold der Sonne und war glücklich, seine Hand zu fühlen, die über ihr Haar strich.
    Am Abend landeten sie in Hiva Oa. Am Rande des kleinen Flugplatzes wartete bereits ein Polizeiwagen.
    Der Polizeileutnant, der Paul und Rainu empfing, war sehr höflich, begrüßte beide mit Handschlag, nahm Rainu den Koffer ab, den sie sich von Pater Pierre geliehen hatten,

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