Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
auf das Bett nieder, bückte sich und holte die Schale mit dem Gift hervor.
Wortlos stellte er sie auf den neuen Klapptisch, aber ebenso stumm blieb Rainu sitzen und starrte Paul an. In ihrem Gesicht war keine Regung.
»Warum?« fragte Bäcker endlich gepreßt.
»Ich liebe dich«, sagte sie sanft. »Du darfst nie von mir weggehen. Es ist genug für zwei, Paulo …«
Er nahm die Schale, trug sie hinaus, kippte das Gift in eine Erdkuhle und schaufelte sie zu. Als er sich umdrehte, stand Rainu hinter ihm. Sie war ihm lautlos gefolgt.
»Du wolltest mich vergiften?« fragte er heiser.
»Dich?« Ihre Augen waren Schreckens weit geöffnet. »Wieso dich, Paulo?«
»Du sagtest: genug für zwei! Kann man so Probleme lösen?«
»Nein. Aber mein Leben hört auf ohne dich. Alles Leben muß dann aufhören, auch das Leben in mir …«
»Rainu!« Er verstand plötzlich, stürzte auf sie zu, riß sie in seine Arme und hatte das Gefühl, die Welt zerbräche in einem einzigen Herzschlag. »Rainu! Mein Gott, ist das wahr?«
»Ja, Paulo.« Sie schlang die Arme um ihn und schien sich in ihn verkriechen zu wollen. »Wir bekommen ein Kind. Und du willst fortgehen …«
»Ich habe nie daran gedacht, nie.«
Er streichelte ihren Kopf, küßte sie, drückte sie dann wieder an sich und blickte über ihren Kopf hinaus aufs Meer. Das Glücksgefühl, das ihn durchrann, war wie ein Brand, der alles in ihm aufflammen ließ. »Morgen fahren wir«, sagte er. »Zu Pater Pierre. Rainu … die Entscheidung ist durch dich gefallen. Mein Gott, ist dieses Leben schön!«
XVIII
Am frühen Morgen beluden sie das neue Boot mit Benzinkanistern, Konserven, Frischwasser, einem Gewehr und Munition, spannten ein Sonnensegel zum Schutz gegen die sengenden Strahlen auf und stießen es dann vom Ufer ab.
Rainu saß zuerst im Boot, die Hände im Schoß gefaltet, und sah zu, wie Paul Bäcker das Boot ins Meer drückte, bis ihm das Wasser bis zur Brust reichte. Dann zog er sich über die Bordkante und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Er setzte sich auf die Bank vor dem Außenbordmotor und öffnete den Benzinhahn. Bevor er den elektrischen Anlasser drehte, blickte er noch einmal zu Rainu hinüber. Sie hockte unbeweglich auf der gepolsterten Bank wie eine geschnitzte Statue, bis zu den Schultern in ein buntbedrucktes Tuch gewickelt, das Brissier ihr als Geschenk mitgebracht hatte. Ihr langes Haar wehte darüber wie ein Trauerschleier; das einzige, was an ihr zu leben schien, war ihr schmales Gesicht mit den schwarzen Augen. Sie sah hinüber zu der Insel, und alles an Rainu, die Haltung, die Augen und ihre völlige Starrheit waren die gleiche hilflose Ergebenheit wie an dem schrecklichen Tag, da sie als Opfer des Totengottes ausgesetzt worden war.
Bäcker wußte, woran sie dachte, als das Boot sich langsam vom Ufer entfernte.
»Wir kommen zurück«, sagte er laut. »Du brauchst keinen Abschied zu nehmen.«
»Ich habe Angst«, sagte sie zaghaft. »Angst vor der anderen Welt.«
Paul wußte darauf keine Antwort. Es war zwecklos, ihr zu erklären, warum er für kurze Zeit in dieses laute Leben zurückkehrte, aus dem er damals geflüchtet war. Vergessen hatte er es bis heute nicht. Das erste Erlebnis mit Tara Makarou stak wie ein Brandzeichen in seinem Herzen … er liebte sie längst nicht mehr, die wirkliche tiefe, ihn ganz ausfüllende Liebe war Rainu und würde es immer bleiben, aber die Erinnerung an Tara war nicht so einfach auszulöschen.
Hoffentlich ist sie endlich in Papeete, wenn ich Dubonnet besuche, dachte er. Sie wollte damals alles Geld sammeln, um die Reise zu finanzieren. Sie konnte viel Geld verdient haben in den vergangenen Monaten. Ihr Körper war es wert, mit Gold übergossen zu werden.
Bäcker drehte den elektrischen Starter, der Motor sprang an, die Schraube wirbelte durch das Wasser und jagte das schnelle, schnittige weiße Boot, als sei es katapultiert worden, hinein in das blauschimmernde Meer. Die Morgensonne hing wie ein riesiger Ball über ihnen.
Bäcker drosselte den Motor etwas, warf noch einen Blick auf Brissiers Seekarte, die auf seinen Knien lag, und fuhr dann in einem Bogen von Anne-Eiland fort.
Nach kurzer Zeit hielt er an und wandte sich zurück. Die alte und die neue Insel lagen da, armselige Erdflecke in einer blauen Unendlichkeit, zusammengedrückt von Himmel und Meer. Zwei Tränen der Einsamkeit.
»Fahr zurück«, sagte Rainu plötzlich.
»Es hat keinen Sinn, vor irgend etwas wegzulaufen. Ganz gleich, was es
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