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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Grossmann heute Morgen gefunden«, begann Pia und erinnerte sich daran, wie Theissen die Frau vorhin tröstend umarmt hatte. Chef mit Herz. Ein Sympathiepunkt für ihn.
    Â»Frau Weidauer.« Theissen nickte bestätigend. »Sie ist unsere Buchhalterin und kommt immer sehr früh zur Arbeit.«
    Â»Sie hat uns gesagt, dass Herr Grossmann ein Alkoholproblem hatte. Entspricht das den Tatsachen?«
    Der Geschäftsführer nickte und seufzte.
    Â»Ja, das hatte er. Er trank nicht regelmäßig, aber hin und wieder stürzte er regelrecht ab.«
    Â»War er dann als Nachtwächter für Ihre Firma nicht ein Risiko?«
    Â»Tja.« Stefan Theissen fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und suchte kurz nach den richtigen Worten. »Rolf war ein Klassenkamerad von mir.«
    Das überraschte Pia. Entweder hatte sie sich bei Theissen im Alter gründlich verschätzt, oder Tod und einsetzende Verwesung hatten Rolf Grossmann sehr viel älter wirken lassen, als er gewesen war.
    Â»Wir waren in der Schulzeit eng befreundet, danach verloren wir uns aus den Augen. Als ich ihn auf einem Klassentreffen vor ein paar Jahren wiedertraf, war ich schockiert. Seine Frau hatte ihn verlassen, er lebte in einem Männerwohnheim in Frankfurt, war arbeitslos.« Theissen zuckte bedauernd die Achseln. »Er tat mir leid, deshalb habe ich ihn eingestellt. Als Chauffeur und, nachdem er den Führerschein verloren hatte, als Nachtwächter. Die meiste Zeit ging es gut, er war zuverlässig und blieb nüchtern, wenn er im Dienst war.«
    Â»Die meiste Zeit«, bemerkte Cem. »Nicht immer?«
    Â»Nein, nicht immer. Einmal habe ich ihn überrascht, als ich nach einer Geschäftsreise noch spät in die Firma kam. Er lag sturzbetrunken in der Teeküche. Danach war er ein Vierteljahr in einer Entziehungskur. Seit über einem Jahr gab es aber keine Vorkommnisse mehr, und ich nahm an, er hätte die Trinkerei im Griff.«
    Offen. Aufrichtig. Keine Beschönigungen.
    Â»Nach der ersten Einschätzung des Rechtsmediziners starb Herr Grossmann am Samstagmorgen gegen vier Uhr in der Frühe«, sagte Pia. »Wie ist es möglich, dass ihn bis heute Morgen niemand vermisst hat?«
    Â»Er lebte ja allein. Und übers Wochenende ist hier niemand, es sei denn, wir sind in der heißen Phase vor der Fertigstellung eines Projekts«, antwortete Stefan Theissen. »Manchmal komme ich samstags oder sonntags in mein Büro, aber an diesem Wochenende war ich verreist. Rolf … also Herr Grossmann … beendet seine Schicht üblicherweise um 6 Uhr morgens und fängt dann um 18 Uhr wieder an.«
    Was Theissen sagte, klang schlüssig. Pia bedankte sich für die Auskünfte, sie standen auf. In dem Moment summte ihr Handy. Es war Henning.
    Â»Ich habe etwas Hochinteressantes gefunden«, sagte er knapp. »Komm mal zur Treppe. Am besten gleich.«
    *
    Er betrachtete ihr Gesicht und kämpfte gegen das schlechte Gewissen, weil er sie so lange nicht besucht hatte. Sie hatte die Augen geöffnet, doch ihr Blick ging ins Leere. Ob sie verstand, was er sagte, seine Berührung spürte?
    Â»Es war ein unglaublicher Erfolg gestern Abend.« Er streichelte ihre Hand. »Jeder, wirklich jeder war da. Sogar Frau Merkel. Und natürlich die Presse. Heute ist das Buch schon der Aufmacher in allen Zeitungen. Ach, es würde dir gefallen, mein Schatz.«
    Durch das schräg gestellte Fenster drangen die Geräusche der Stadt: das Klingeln der Straßenbahn, Hupen, Motorengeräusche. Dirk Eisenhut nahm die Hand seiner Frau und küsste ihre kalten Finger. Jedes Mal, wenn er ihr Zimmer betrat und sie mit offenen Augen in ihrem Bett liegen sah, keimte Hoffnung in ihm auf. Es hatte Fälle gegeben, in denen Menschen noch nach Jahren aus dem Wachkoma erwacht waren. Und bis heute konnte niemand mit Sicherheit sagen, was im Bewusstsein eines solchen Patienten vor sich ging. Er wusste, dass sie ihn hörte. Bisweilen schien sie sogar auf seine Stimme zu reagieren, hin und wieder erwiderte sie den Druck seiner Hand, und manchmal glaubte er sie lächeln zu sehen, wenn er ihr von früher erzählte oder sie küsste.
    Mit leiser Stimme berichtete er ihr von der Premiere seines neuen Buches, die gestern unter großem Medieninteresse in der Deutschen Oper stattgefunden hatte. Er zählte ihr die Namen der illustren Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur auf, richtete ihr

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