Wer Wind sät
Trotzdem wollte es ihm nicht gelingen, Nikas nackte Titten aus seinem Kopf zu verbannen.
»Nika«, murmelte er und genoss die lustvolle Qual, die es ihm bereitete, ihren Namen laut auszusprechen. Der bloÃe Gedanke an ihre Begegnung im Keller, die in seinen immer wilderen Phantasien längst nicht mehr mit seiner verschämten Flucht endete, machte ihn unwillkürlich scharf. »Verdammt, Nika, verdammt.«
*
Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein stand vor der Spiegeltür des Kleiderschranks und band sich missmutig die Krawatte. Was für eine Schnapsidee, an einem Montagvormittag zu heiraten und damit den berufstätigen Teil der Familie zu einem Tag Urlaub zu zwingen! Er betrachtete sich kritisch von der Seite. Obwohl er den Bauch einzog, wölbte der sich zu seiner Verärgerung über den Hosenbund. Gestern Abend hatte sich der Zeiger der Waage zum ersten Mal in seinem Leben über der 90 -Kilo-Markierung eingependelt, und das hatte ihm einen Schock versetzt. Nur noch neun Kilo, dann wog er zwei Zentner! Wenn er nicht schleunigst damit aufhörte, jeden Abend bei seinen Eltern zu essen und anschlieÃend mit seinem Vater eine Flasche Rotwein zu leeren, konnte er sich bald überlegen, ob er den Bauch über oder unter dem Gürtel tragen wollte.
Er streifte das Jackett über. Der Anzug kaschierte das Schlimmste, trotzdem fühlte er sich unwohl. Und das lag nicht nur an der bevorstehenden Hochzeitsfeier und seiner Gewichtszunahme. Ãber zwanzig Jahre lang war sein Leben in geruhsamen Bahnen verlaufen, aber seit seiner Trennung von Cosima vor sechs Monaten war alles durcheinandergeraten, nicht nur seine Essgewohnheiten. Schnell hatte er gemerkt, dass es ein Fehler gewesen war, sich auf eine Affäre mit Heidi Brückner einzulassen, die er während der Arbeit an einem Fall im letzten November kennengelernt hatte. Sie war ihm begegnet, als sein Leben durch Cosimas Untreue in seinen Grundfesten erschüttert worden war, und hatte ihm über den ersten Schmerz hinweggeholfen, aber für eine neue, feste Beziehung war er noch längst nicht bereit gewesen. Sie hatten noch ein paar Mal telefoniert, dann hatte er sie nicht mehr angerufen, und die ganze Sache war im Sande verlaufen, ohne Diskussionen und ohne, dass es ihn berührt hätte.
Der eigentliche Grund aber, weshalb er jetzt lieber mit seinen Kollegen neben einer Leiche gestanden hätte als zum Standesamt im Kelkheimer Rathaus zu fahren, war Cosima. Seit sie ihn vor einem halben Jahr vor vollendete Tatsachen gestellt hatte und kurz darauf mit ihrem russischen Liebhaber zu einer Weltumsegelung aufgebrochen war, hatte er kaum mit ihr gesprochen. Noch immer nahm er es ihr übel, dass sie aus reinem Egoismus die Familie und damit sein Leben zerstört hatte. Ãber Wochen und Monate schon hatte sie eine heimliche Beziehung mit diesem Abenteurer Alexander Gawrilow geführt, während er nicht das Geringste geahnt hatte. Sie hatte ihn zum Trottel gemacht, und ihm war wieder einmal nichts anderes übriggeblieben, als ihre Entscheidungen zu akzeptieren, schon allein der Kinder zuliebe. Lorenz und Rosalie waren erwachsen und standen auf eigenen FüÃen, aber Sophia war gerade mal zweieinhalb. Sie hatte ein Recht auf Vater und Mutter, egal, was zwischen Cosima und ihm war. Bodenstein warf seinem Spiegelbild einen letzten resignierten Blick zu. Er hatte sich fest vorgenommen, den Leichenfund als Grund vorzuschieben und die Familienfeier sofort nach der Trauungszeremonie zu verlassen, sollte Cosima tatsächlich so unverfroren sein, diesen Gawrilow mitzubringen. Insgeheim hoffte er beinahe, dass sie genau das tun würde.
*
Er sah schon von weitem die zwei Autos im Hof stehen und ahnte, was ihn erwartete. Ludwig Hirtreiter war kein Mensch, der einem Konflikt aus dem Weg ging, deshalb stapfte er weiter und stieà das Gartentor auf. Tell rannte auf die beiden Männer zu und begann zu bellen.
»Tell!«, rief er. »Aus. Bei FuÃ!«
Der Hund gehorchte sofort.
»Was wollt ihr?«, knurrte Hirtreiter. Noch immer war er innerlich auf hundertachtzig wegen der illegalen Rodungsaktion im Wald. Ein denkbar schlechter Moment, den seine Söhne sich für ihren Besuch ausgesucht hatten.
»Guten Morgen, Papa«, sagte Matthias, der jüngere, und lächelte. »Hast du Zeit für einen Kaffee?«
Was für ein durchsichtiges Manöver.
»Nicht, wenn ihr wieder mit der Pfaffenwiese
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