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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Vielleicht war er nicht mehr der richtige Mann für diesen Job.
    Â»Wo müssen wir hin?«, fragte jemand hinter ihm.
    Â»Geradeaus in die Küche«, erwiderte er. Ein Notarzt und zwei Sanitäter drängten sich an ihm vorbei. Da wandte Pia den Kopf und sah ihn an. Zu seiner Erleichterung flog ein Lächeln über ihr erschöpftes Gesicht.
    Â»Hey, Chef.« Sie steckte ihr Handy weg.
    Â»Kompliment, Pia«, sagte er leise. »Das war wirklich verdammt gute Arbeit.«
    Sie sahen sich an, dann breitete Bodenstein die Arme aus.
    Â»Vorsicht«, warnte sie ihn, »ich bin total durchgeschwitzt.«
    Â»Macht nichts. Ich auch.« Er grinste und umarmte sie kurz, aber fest. Dann blickte er sie prüfend an. »Geht’s dir gut?«
    Â»Jetzt ja. Die Vernehmung von Frau Franzen hebe ich mir allerdings für morgen auf. Christoph ist sicher halb verrückt vor Sorge.«
    Â»Er wartet draußen«, antwortete Bodenstein. Sie traten einen Schritt zur Seite, weil die SEK -Leute Ricky in Handschellen aus der Küche führten.
    Â»Ãœberleg dir mal«, sagte Pia zu Bodenstein. »Als Mark mir die Pistole gegeben hat, habe ich das Magazin rausgenommen. Es war leer. Da waren genau zwei Patronen drin gewesen.«
    Â»Wie bitte?« Frau Franzen blieb neben ihr stehen. »Dieses kleine Arschloch hätte gar nicht schießen können?«
    Â»Nein, hätte er nicht«, bestätigte Pia. »Tja, das konnte keiner wissen.«
    Ricky Franzens Augen verengten sich, sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
    Â»Wenn ich den in die Finger kriege«, knirschte sie zornig, »dann mach ich Hackfleisch aus ihm.«
    Â»Das wird eine Weile dauern«, entgegnete Pia trocken. »Schätzungsweise fünfzehn Jahre.«
    *
    Die Absperrungen wurden abgebaut, das SEK sammelte sich, um abzuziehen, und die Anwohner wagten sich wieder aus ihren Häusern. In Grüppchen diskutierten sie die aufregenden Ereignisse des Nachmittags, die noch für Wochen ausreichend Gesprächsstoff in der Siedlung bieten würden. Bodenstein hatte Pia ihrem Christoph überlassen und sprach noch kurz mit Schäfer vom SEK . Die Scheinwerfer waren erloschen, das SEK rüstete in der Dämmerung zum Aufbruch, die Beamten stiegen in die schwarzen SUV s und Limousinen, mit denen die Spezialeinheit ausgerüstet war. Höchste Zeit, Annika nach Frankfurt zu bringen.
    Er sah Altunay, Kröger und Kathrin Fachinger, die bei Pia und Christoph Sander standen.
    Â»Hallo, Chef«, lächelte Kathrin, als er zu ihnen trat. »Wir haben gerade spontan beschlossen, zur Feier des Tages noch etwas essen zu gehen. Kommen Sie mit?«
    Auch alle anderen wirkten entspannt und guter Dinge. Zwei Fälle waren gelöst und die Geiselnahme glimpflich ausgegangen. Das war Grund genug, um ein wenig zu feiern, doch ihm war nicht danach zumute. Außerdem wartete Clasing auf seinen Anruf.
    Â»Vielleicht komme ich später nach«, erwiderte er ausweichend. »Falls ich es nicht schaffe, wünsche ich euch einen schönen Abend.«
    Er wandte sich um, und ging eilig die Straße entlang. Der Notarzt mit Theodorakis an Bord rauschte an ihm vorbei, gefolgt von einem Streifenwagen mit stumm geschaltetem Blaulicht. Ein Auto bremste neben ihm, die Scheibe wurde heruntergelassen.
    Â»Oliver, denkst du daran, dass ich noch heute mit dir und Frau Sommerfeld sprechen möchte?«, sagte Nicola Engel.
    Â»Ja, natürlich«, erwiderte er und reckte den Hals. Dort drüben, neben dem Altglas-Container, hatte er doch Quentins Auto abgestellt! Oder täuschte er sich? Von einer niederschmetternden Vorahnung erfüllt, blickte er die leere Straße hinauf und hinunter.
    Â»Oliver! Jetzt bleib doch stehen!«
    Bodenstein achtete nicht mehr auf seine Chefin, überquerte die Straße und sah sich wie betäubt um. Sein Gehirn wehrte sich gegen das Begreifen. Das Auto war weg. Annika war weg. Das durfte doch nicht wahr sein! Wie konnte sie ihm das antun?
    Bodenstein setzte sich auf die Bordsteinkante und versuchte, seine Fassungslosigkeit unter Kontrolle zu bekommen. Es tat entsetzlich weh, der Wahrheit ins Auge zu sehen, aber Pia hatte recht behalten. Was war er nur für ein Idiot, dass er Annika so blind geglaubt und vertraut hatte? Er hatte für sie die sprichwörtlichen Kohlen aus dem Feuer geholt, und sie hatte sich bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Staub gemacht. Hatte sie das

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