Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
von den Augen ab. Als Sadie sechs Monate alt war, meldete sie ihr Töchterchen beim ersten Schönheitswettbewerb an, und in den nächsten fünf Jahren sackte Sadie massenweise Krönchen und Schärpen ein. Doch aufgrund Sadies Hang, sich einen Tick zu schwungvoll zu drehen, einen Tick zu laut zu singen und nach einem Stepp-Tanzschritt von der Bühne zu fallen, erfüllte sie den Traum ihrer Mutter, einen wirklich bedeutenden Titel zu holen, niemals ganz. Mit fünfundvierzig Jahren starb Johanna Mae unerwartet an Herzversagen und mit ihr ihre Schönheitsköniginnen-Ambitionen für ihre Kleine. Sadies Erziehung blieb fortan Clive überlassen, der sich in der Gesellschaft von Hereford-Rindern und Rancharbeitern wohler fühlte als in der eines kleinen Mädchens, an dessen Schuhen statt Kuhmist Glitzersteine klebten.
Aber Clive hatte sein Bestes gegeben, um Sadie zu einer Lady zu erziehen. Er hatte sie auf Ms Naomis Benimmschule geschickt, um die Umgangsformen zu erlernen, an die heranzuführen er weder die Zeit noch die Fähigkeit hatte, doch der Unterricht ersetzte die Frau im Haus nicht. Während die anderen Mädchen das Gelernte zu Hause anwandten, feuerte Sadie ihr Kleid in die Ecke und machte, was sie wollte. Das Resultat dieser bunt zusammengewürfelten Erziehung war, dass Sadie zwar Walzer tanzen, einen Tisch hübsch eindecken und mit Gouverneuren plaudern konnte, aber auch wie ein Cowboy fluchen und spucken wie ein Rancharbeiter.
Kurz nach ihrem Abschluss an der Lovett High lud sie ihre Siebensachen in ihren Chevy, brach zu einer schicken Uni in Kalifornien auf und ließ ihren Vater und die schmuddeligen Kotillon-Handschuhe weit hinter sich. Seither hatte niemand mehr viel von Sadie gehört. Nicht einmal ihr armer Daddy, aber soweit man wusste, hatte sie nie geheiratet. Was ganz einfach traurig und unfassbar war, denn mal ehrlich, wie schwer konnte es sein, einen Kerl abzukriegen? Sogar Sarah Louise Baynard-Conseco, die das Pech gehabt hatte, mit derselben Figur auf die Welt zu kommen wie ihr Daddy, Big Buddy Baynard, hatte das hinbekommen. Zugegeben, Sarah Louise hatte ihren Göttergatten über prisoner.com kennengelernt, und Mr Consecos Wohnsitz lag gut zweitausend Kilometer entfernt in San Quentin, doch Sarah Louise war überzeugt, dass er an den Straftaten, für die man ihn zu Unrecht eingebuchtet hatte, völlig unschuldig war, und plante unbeirrt, mit ihm eine Familie zu gründen, wenn er in zehn Jahren den erhofften Hafturlaub bekam.
Die Arme.
Zugegeben, in einer Kleinstadt war die Auswahl oft begrenzt, aber deshalb gingen Mädchen ja aufs College. Alle wussten, dass der triftigste Grund für unverheiratete junge Damen, ein Studium aufzunehmen, nicht etwa die Vervollkommnung ihrer Bildung war, obwohl auch das durchaus wichtig war. Den Wert des urgroßmütterlichen Silbers berechnen zu können war immer wichtig, doch die höchste Priorität einer ledigen jungen Dame bestand darin, sich einen Mann zu angeln.
Und genau das hatte Tally Lynn Cooper, Sadie Jos zwanzigjährige Cousine mütterlicherseits, getan. Tally Lynn hatte ihren Zukünftigen auf der Texas A&M kennengelernt und sollte in nur wenigen Tagen mit ihm vor den Altar treten. Tally Lynns Mama hatte darauf bestanden, dass Sadie Jo ihre Brautjungfer wurde, was sich im Nachhinein als Fehler erweisen sollte. Mehr als für das Kleid, das sich Tally Lynn ausgesucht hatte, oder die Größe ihres Diamantrings oder ob Onkel Frasier ausnahmsweise das Saufen sein ließe und sich anständig benähme, interessierten sich schließlich alle brennend dafür, ob es Sadie Jo gelungen war, sich einen Kerl zu angeln, denn mal ehrlich, so schwer konnte das doch nicht sein. Auch nicht für ein versponnenes, widerspenstiges Mädchen mit glatten Haaren.
Sadie Hollowell betätigte den Knopf an der Türkonsole ihres Saab, und die Fensterscheibe glitt zwei Zentimeter nach unten. Warme Luft pfiff durch den Spalt, und sie drückte erneut auf den Knopf und öffnete das Fenster noch ein Stückchen weiter. Der Wind wehte in ihre glatten blonden Haare und blies sie ihr ins Gesicht.
»Sieh mal für mich in der Scottsdale-Auflistung nach«, sagte sie in den Blackberry, den sie sich mit der Schulter ans Ohr presste. »Nach dem Haus mit den drei Schlafzimmern in San Salvador.« Während ihre Assistentin Renee nach der Immobilie suchte, blickte Sadie aus dem Fenster auf die flachen Ebenen des texanischen Nordens. »Steht es schon drauf?« Manchmal warteten die Makleragenturen noch
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