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Mörderische Tage

Mörderische Tage

Titel: Mörderische Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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15. Juni 2007, 0.56 Uhr
     
    Es war eine für Mitte Juni ungewöhnlich kühle und regnerische Nacht, als sich die junge Frau, nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet, um vier Minuten vor ein Uhr an der Autobahn auf das Eschborner Dreieck zubewegte. Sie war barfuß, die halblangen blonden Haare klebten an ihrem Gesicht. Ihre Schritte waren unsicher, als wäre sie betrunken. Die grellen Lichter der entgegenkommenden Autos schien sie nicht wahrzunehmen, ihr Blick war leer und starr. Mit einem Mal drehte sie sich um und betrat die Fahrbahn, ohne die Autos zu beachten. Nicht einmal das laute Hupen des Lkw, der auf sie zugedonnert kam, schien sie zu hören. Der Fahrer stemmte sich mit voller Kraft auf das Bremspedal und versuchte ihr auszuweichen, geriet dabei ins Schlingern, durchbrach die Leitplanke und kippte kurz darauf an der leicht ansteigenden Böschung um. Zwei Wagen rasten auf der Mittelspur ineinander, einem dritten gelang es dank eines waghalsigen Manövers gerade noch, an der Frau vorbeizufahren, bevor er etwa hundert Meter entfernt auf dem Seitenstreifen anhielt. Ein Mann sprang aus dem Porsche, am Ohr sein Handy, in das er aufgeregt hineinschrie, während er auf die Frau zurannte, die auf einem der weißen Streifen zwischen rechter und mittlerer Fahrbahn stehen geblieben war. Der Verkehr in Richtung Wiesbaden war zum Erliegen gekommen, Warnblinker zuckten durch die wolkenverhangene Nacht.
    Immer mehr Menschen kamen teils schnell, teils vorsichtig auf die Frau zu, der Mann mit dem Handy packte sie an den Schultern und schüttelte sie, doch sie sah ihn nur an, ohne ein Wort zu sagen. Sie ließ sich widerstandslos von der Fahrbahn führen, der Lastwagenfahrer, der sich mühsam aus der Fahrerkabine gehievt hatte, stieß ein paar derbe Flüche aus, aber auch das schien die Frau nicht wahrzunehmen.
     »Die ist vollkommen verrückt, die Alte!«, schrie er mit hochrotem Kopf und zeigte auf seinen Lastwagen. »Die ist meschugge, bekloppt, durchgeknallt! Ich hab da drin 'ne Ladung …«
    »Seien Sie still«, winkte der andere unwirsch ab und legte seine Jacke um die Schultern der Frau, deren Gesicht er in der Dunkelheit trotz der vielen eingeschalteten Scheinwerfer nur schemenhaft erkennen konnte.
    »Die ist doch aus der Klapse ausgebrochen, das riech ich zehn Meilen gegen den Wind«, fluchte der Trucker weiter.
     »Und wenn? Polizei und Krankenwagen werden gleich hier sein. Junge Frau, hören Sie mich?«, fragte der Porschefahrer, der um die vierzig sein mochte. Er setzte sich mit ihr auf die Leitplanke, fasste sie vorsichtig am Kinn und drehte ihren Kopf zu sich. »Wie heißen Sie? Ich bin Frank.«
    Sie reagierte nicht, sie zitterte nicht, ihr Blick ging durch ihn hindurch.
    »Schiet, verdammter Schiet! Großer, gottverdammter Schiet! Ich hab Elektrogeräte im Wert von über zwei Millionen geladen …«
    »Dafür gibt's Versicherungen«, mischte sich ein anderer ein, der sehr besorgt und hilflos wirkte. »Was ist mit ihr?«
     »Keine Ahnung«, erwiderte der Mann, der sich als Frank vorgestellt hatte. »Ich bin kein Arzt, nur Polizist. Aber eins weiß ich, kein Mensch läuft grundlos auf die Autobahn, schon gar nicht um diese Uhrzeit. Und ganz bestimmt nicht in einem Nachthemd.«
    »Ich sag doch, die hat nicht mehr alle Tassen im Schrank!«
    »Mag sein«, antwortete Frank kurz angebunden, der keine Lust auf einen Streit hatte, obwohl er den Lastwagenfahrer verstehen konnte. »Wir können nur froh sein, dass keinem von uns etwas passiert ist …«
    »Nichts passiert?! Hey, Alter, mein Track is im Arsch, und die Ladung kannste nich mal mehr nach Afrika verschippern! Ich komm aus Hamburg und bin seit über zehn Stunden unterwegs und …«
    »Wir sind alle am Leben.« Er wandte sich wieder der jungen Frau zu: »Wollen Sie mir nicht sagen, wie Sie heißen?«
    Ihr Blick blieb ausdruckslos.
    »Kommen Sie, verraten Sie wenigstens Ihren Namen«, ließ Frank nicht locker. »Sie haben ein ganz schönes Chaos verursacht. Sie können von Glück reden, dass niemand getötet wurde. Nur Ihren Namen, bitte.«
    Sie hob leicht den Kopf und sah Frank an, ohne etwas zu sagen, obwohl sich ihre Lippen kaum merklich bewegten, als wolle sie sprechen, doch kein Laut drang aus ihrem Mund. Ihre schlanken Arme hingen an ihrem Körper herunter, als gehörten sie nicht zu ihr, in ihrem Gesicht war keine Regung zu erkennen, weder Angst noch Furcht noch Neugier, nichts. Nur dieser regungslose Blick auf Frank, als sähe sie in ihm ein Wesen, das

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