Werbevoodoo
Beweise gibt. Ich weiß, dass er im Sinne unserer modernen Rechtssprechung unschuldig ist. Aber ich glaube, dass das den Toten nicht gerecht wird. Und ich glaube, da steckt ein balkanisch-alpiner Zauber dahinter.«
Hofer, der die unausgesprochenen Vorwürfe gegen seinen Kaffeezauber auf unerklärliche Weise aufgeschnappt hatte, zog ein spöttisches Grinsen und sagte in einem irritierend echt klingenden wienerischen Singsang: »Na, hör’ ich da nicht irgendwelche alt-österreichischen Ressentiments gegenüber Tschuschen heraus? Thomas, überleg’ doch mal: Wie um alles in der Welt soll man zwei Menschen ohne Einwirkung von außen dazu bringen, einen tödlichen Schlaganfall zu bekommen? Ich tippe eher auf das Gesetz der Serie. Es ist wie beim Fußball: Geht der erste Elfmeter daneben, wird der zweite vom Torwart gehalten.«
»Und was ist«, fragte Wondrak, »wenn es noch einen dritten Elfmeter gibt?«
»Du meinst, noch einen Toten? Noch einen Schlaganfall? In derselben Werbeagentur?«
Wondrak nickte.
»Dann kann die Agentur wahrscheinlich zusperren.«
»Wem nützt das?«, fragte Wondrak in den Raum hinein.
»Wondrak, was sind das für merkwürdige Ermittlungen in einer Starnberger Werbeagentur?«, erkundigte sich Norbert Stürmer, der Wondrak kurz zuvor ins Chefzimmer gebeten hatte. »Ich bekomme heute einen Anruf von Professor Doktor Dreher, Wondrak, dem Dreher!« Stürmer machte eine Miene, als würde er Schweinegrippe-Pandemie sagen. »Und er forderte mich auf, wir sollten aufhören, seinen Mandanten Timo Stifter zu belästigen. Wieso weiß ich nichts davon? Was ist da los?«
»Norbert, das weiß ich selber noch nicht. Das sind auch keine Ermittlungen. Das sind Sondierungsgespräche. Wir haben drei Tote, die mit dieser Agentur in Verbindung stehen. Drei Schlaganfälle. Drei natürliche Todesfälle. Und einen begründeten Zweifel, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht.«
»Wondrak, ich will diese drei Leute erst gar nicht in meiner Statistik haben. Wenn ich sie nämlich erst einmal als ungeklärte Todesfälle draufhabe, dann bekomme ich die nie wieder runter. Und mein Ranking ist im Eimer.«
»Dein was?« Wondrak wusste natürlich, was ein Ranking war. Er hörte es nur so gern aus Stürmers Mund.
»Mein Ranking. Meine Rangliste. Mein Spitzenplatz. Mein Meistertitel. Nenn es, wie du willst. Wenn du deine drei Schlaganfälle reinhebst, ist es vorbei damit. Dann sind wir wieder Mittelfeld, und keiner redet über uns.«
»Das ist alles, was dich interessiert? Dein Ranking? Pass mal auf: Dein Ranking ist gar nicht dein Ranking. Sondern meines. Dein erster Platz hängt zu …« Wondrak überlegte kurz, er wollte eine möglichst realistische Bewertung abgeben, »… 85 Prozent von mir ab. Und wenn du willst, dass das so bleibt, dann unterstützt du mich gefälligst, sonst suche ich mir andere Unterstützer.«
»Bist du komplett übergeschnappt, Wondrak? Ein Zeichner in einer Werbeagentur und die Großmutter seiner Freundin schmieden einen okkulten Pakt und töten mittels Fern-Schlaganfall? Der Staatsanwalt ist noch nicht geboren, der sich diese Geschichte freiwillig anhört. Oder er scheißt gerade in die Windeln. Als Nächstes können dann Blicke töten, oder? Ich glaube, deine Freunde bei der CSU sind nicht der richtige Umgang für dich!«
»KDU.«
»Bitte?«
»Es heißt jetzt KDU, dank deiner freundlichen Intervention.«
»Ja, richtig. Klub der Unlogischen.«
»Ich hab’ mir das nicht ausgedacht. Das hat sich Timo Stifter ausgedacht. Genau aufgezeichnet in einem Comic-Heft, das er gemacht hat. Und zwar, bevor es die Toten gab.«
»Und was gedenkst du als Nächstes zu tun, mit deinen Sondierungsbemühungen?«
»Ich werde verhindern, dass es noch einen Toten gibt. Da taucht nämlich noch einer im Comic auf.«
»Wehe, der taucht in meiner Statistik auf!«
Auf dem Weg zu seinem Büro lief ihm im breiten, alten Klostergang Sophie genau in die Arme.
»Oh, Entschuldigung, das ist einfach zu eng hier.«
»Ja, Verzeihung, ich wollte Ihnen noch ausweichen, aber es ging nicht!«
Bevor jemand die zwei noch sehen konnte, huschten sie in Wondrak Büro.
»Ich hab’ was für dich!«, jubelte Sophie und hielt ihm eine Pressemeldung unter die Nase.
Entführer in Toskana gefasst.
Oberstaatsanwältin Hopfinger wurde heute um 10.30 Uhr per Fax von den italienischen Justizbehörden über die Festnahme von Hubert W. (55) aus Fürstenfeldbruck informiert. Der mutmaßliche Entführer wird
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