Werbevoodoo
Ganzen lief es darauf hinaus, dass Doktor Haslsteiner der große Bösewicht der Firma war, der seine Position dazu ausgenutzt hatte, Menschenversuche mit seinen Mitarbeitern anzustellen.
Professor Dreher war überaus zufrieden mit seinem Mandanten, es sah ganz danach aus, als würde sich das Briefing bezahlt machen, Schneidervater leistete sich keinen Patzer. Nach einer Stunde machte er noch einmal Kaffee, diesmal wollte auch Dreher einen Cappuccino. Er ging kurz in den Raum hinter dem Spiegel, wo Sophie, Dollinger und Dillinger mithörten und beobachteten.
»Verdammt, sind das harte Hunde«, sagte Dollinger beeindruckt.
Und Dillinger pflichtete bei: »Der Dreher hat den gut vorbereitet, wir hätten den Schneidervater schnappen müssen, bevor die sich absprechen konnten.«
»Die sind hart, Buam, aber wir sind härter. Schau dir mal die Anspannung von Schneidervater an. Nicht einmal jetzt, wo er allein mit Dreher ist, lässt sie nach. Das hält der nicht ewig durch. Früher oder später knacken wir ihn.«
Als Wondrak mit den drei Tassen auf dem Tablett in den Verhörraum zurückkam, hatte sich etwas verändert. Er hatte das Gefühl, dass sich noch jemand im Raum aufhielt. Aber da war niemand, außer den beiden älteren Herren. Unwillkürlich musste er an Selena denken. »Kannten Sie Selena, die Freundin von Timo?«
Schneidervater nahm einen Schluck Espresso, sah ihn mit einem verwunderten Blick an, sagte: »Nein«, und fiel vom Stuhl.
Professor Dreher kniete sich zu ihm hinunter, um den Puls zu fühlen.
»Jetzt hat ihn Ihr verdammter Kaffee umgebracht, Kommissar Wondrak!«
Epilog
Es war eine ziemlich turbulente Zeit, nach Schneidervaters Tod, da Dreher alles unternahm, um seinen Mandanten posthum würdig zu vertreten. Den natürlichen Tod (Schlaganfall), den die Gerichtsmedizin diagnostizierte, weigerte er sich anzuerkennen. Aber Wondraks Kaffee war tadellos, die Chemiker lobten sogar die für das Alter der Wasserleitung überragende Wasserqualität. (Und den Geschmack des Kaffees, was aber in den Protokollen nicht auftauchte. Die intensive sensorische Prüfung von Wondraks Kaffee verhalf Andreas Hofer sogar zu einem neuen Kunden, da er anschließend in der Münchener Gerichtsmedizin eine neue Kaffeemaschine installieren durfte. Melanie wollte Wondrak noch verraten, wie es die Abteilung geschafft hatte, eine Faema als Labormaterial zu deklarieren.)
Doktor Haslsteiner und Professor Toplitz wanderten wegen Totschlags in mindestens zwei Fällen ins Gefängnis. Es gab zwar neun andere Schlaganfall-Tote in TBT-nahen Agenturen, aber es konnte nicht bewiesen werden, dass die manipulierten Elektroenzephalografie-Sets auch hier verwendet wurden.
Miriam erhielt wegen versuchter Erpressung eine Bewährungsstrafe.
Und so machte die makellose Aufklärungsquote von Bayerns erfolgreichster Mordabteilung ihrem Namen wieder einmal alle Ehre.
Wondrak hatte zur Feier des Tages Rinderlende eingekauft und schnitt sie in mausgroße Stücke. Jede andere Katze hätte sich wohl gierig maunzend über sie hergemacht, aber Charlotte war anders. Sie war misstrauisch. Bereits beim Schneiden merkte sie, dass es mit einer ganz bestimmten Absicht geschah. Was hatte er vor?
Wondrak plante das erste Wochenende mit Sophie. Charlotte sollte es in guter Erinnerung behalten.
Ebenso wie Sophie. Denn Wondrak hatte für die Verwirklichung einer ganz bestimmten Fantasie ein ganz bestimmtes Rezept vorbereitet: Erdbeermousse.
Und Timo? Timo erbte die Agentur. Aktien, Immobilien und Barvermögen gingen an Schneidervaters Witwe. Die SCP Werbeagentur (ohne Villa und Beteiligungen) vermachte Schneidervater zu 100 Prozent Timo. Schneidervater hatte sein Testament zwei Tage vor seinem Tod zu Timos Gunsten geändert. Professor Dreher persönlich bezeugte, dass kein Dritter davon wusste.
So weit die offizielle Version. Wondraks Version war natürlich eine andere. Ein paar Monate nach Schneidervaters Tod besuchte er Oma Amalia, um herauszufinden, ob er damit recht hatte. Der erste Schnee des Winters war gerade weggetaut, als sein Volvo auf ihren Hof rollte. Er setzte sich zu ihr in die Küche.
»Danke, dass Sie gedacht haben an Selena. Das war sehr schön mitgefühlt«, begrüßte sie ihn.
Wondrak hatte es aufgegeben, darüber zu grübeln, woher Amalia wusste, dass er an Selena gedacht hatte. Er hatte sogar erwartet und war froh, dass sie es von sich aus ansprach.
»Sie haben nichts mehr zu befürchten, Amalia, der Fall ist abgeschlossen.
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