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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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beschuldigt, vor drei Wochen die Kurierfahrerin Clara B. (37), ebenfalls aus Fürstenfeldbruck, entführt und erst in seinem Haus festgehalten und dann nach Arezzo in die Toskana verschleppt zu haben, wo der Entführer und sein Opfer offenbar Freundschaft schlossen. Bei W.s Festnahme in Arezzo beteuerte B., sie wäre freiwillig mitgekommen und nicht entführt worden.
    Wenn W. alle Rechtsmittel ausschöpft, kann es noch Monate dauern, bis er nach Deutschland ausgeliefert wird, sagte Oberstaatsanwältin Hopfinger.

     
    »Das wird ein Fressen für die Presse.«
    »Wie lange dauert es, bis Herr W. und Frau B. mit Farbfoto auf der Titelseite stehen?«
    »Im Mutterland der Paparazzi, oder im Vaterland des investigativen Journalismus?«
    »Ist da ein Unterschied?«
    »Ich würde sagen, morgen. Bin schon gespannt, was die Zeitungen für Geschichten erfinden. So gut wie wir kennt die Wahrheit wohl keiner.«
    Wondrak lächelte. »Sophie, ich brauche deine Hilfe.«
    Sie ließ ihre Hand suchend nach unten gleiten und griff zart zu. »Hier?«
    Wondrak lächelte und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Dieser Beruf könnte so schön sein. Nette Kollegen, interessante Aufgaben, wenn nur der Chef nicht wär.«
    »Irgendetwas, von dem Stürmer nichts mitkriegen soll?«
    »Ich hab’ dir ja von den seltsamen Schlaganfalltoten in der Starnberger Werbeagentur erzählt. Den nächsten Schlaganfall kriegt der Stürmer, wenn wir das zu groß aufziehen. Also nur du und ich. Nachdem die Münchener an den Leichen nichts gefunden haben, hab’ ich sie nach Hannover schicken lassen, dort gibt es einen berühmten Hirnforscher, Professor Toplitz. Der hat auch nichts gefunden. Das Komische ist nur: Den Transport hin und retour hat der bezahlt! Hat er von sich aus angeboten. Ist das nicht verrückt, heutzutage? Normalerweise reichen doch alle die Kosten schön an uns weiter. Aber Toplitz findet die Fälle wissenschaftlich so interessant, dass er sie mit dem Kühlexpress quer durch Deutschland zu sich holt. Alle drei. Auf seine Kosten. Der muss ja in Geld schwimmen. Vielleicht findest du etwas, was uns hilft. Ich muss nach Starnberg.«
    »Sehen wir uns jetzt nur noch dienstlich, WondRRRak?«
    »Sag mal Biergarten.«
    »BieRRRgaRRRten«
    »Heute Abend um sechs beim ›Alten Wirt‹ in Etterschlag?«
    »EinveRRRstanden.«

     
    Wondrak legte den Comic vor Schneidervater auf den Tisch in seinem Büro. Eichenparkett, offener Kamin, Flügeltür zu seiner Assistentin, 15 Quadratmeter moderne Kunst an der Wand.
    »Kennen Sie diese Geschichte?«
    »Ja, das ist der letzte Comic von Timo. Ich glaube, jeder in der Agentur hat einen.«
    »Und haben Sie ihn gelesen? Ich meine, ganz gelesen?«
    Der Kaffee wurde hereingebracht, es war ein neues Gesicht, auch sehr hübsch, Miriam war wohl noch krank gemeldet.
    »Ja, eine fantastische Geschichte. Und so wahr. Timo spürt, was in der Luft liegt. Er fängt feinste Strömungen auf, die andere gar nicht registrieren und bringt sie zum Leben. Hier ist sein neuester Geniestreich: Arminius.« Schneidervater holte eine Pappe hinter seinem Schreibtisch hervor und zeigte sie stolz her. »Mit Résistance ist Timo in Deutschland berühmt geworden. Mit Arminius wird er weltweit zum Star.«
    »Warum wird Timo vom teuersten Anwalt Starnbergs vertreten?«
    »Weil Professor Dreher auch mein Anwalt ist. Timo ist mein bester Mann. Also bekommt er die beste Hilfe. Falls er sie braucht.«
    »Haben Sie eine Erklärung für die vielen Toten in der letzten Zeit?«
    Schneidervater machte ein bekümmertes Gesicht. »Es ist eine grausame Zeit. Der Druck in den Agenturen ist unmenschlich. Früher hab’ ich unsere Kreativen angefeuert, sie wären die Goldschürfer. Alle haben gut verdient und waren mit Begeisterung dabei. Heute kann ich mehr als zwei gute Leute gar nicht bezahlen. Ich kann nur noch Praktikanten bezahlen. Und ich weiß, meine Leute sind keine Goldschürfer mehr, sie sind selbst der Rohstoff. Und Rohstoff hat keine Menschenrechte.« Schneidervater nahm einen Schluck Cappuccino. »Die Leute brennen in einem Tempo aus, das ist unfassbar. Die meisten sind mit 30 am Ende. Die Zeitungen schreiben nur nichts darüber, weil sie von den Werbeagenturen leben. Die schreiben nur über ein paar Stars. Über Jungs wie Timo, die Heerscharen von Designstudenten zum Träumen bringen und Nachschub liefern für unsere Industrie. Nur ganz selten gibt’s Berichte über den einen Kreativen in New York, der aus dem Fenster gesprungen ist, oder

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