Werke
und setzte sich auf einen Sessel vor den Tisch.
Sie sprachen nun von gewöhnlichen Dingen. Hugo sagte, daß sehr viele Menschen auf dem Wege seien, um das Freie zu gewinnen, um dort einen Teil des Tages zuzubringen, der gar so schön sei. Sie lobte die Linden, die vor ihren Fenstern standen, und sagte, daß sie an so heitern Sommertagen, wie der heutige, einen äußerst angenehmen Geruch herein duften. Wenn aber große Hitze herrsche, dann zeigen sie erst ihre Trefflichkeit, weil sie Schatten und, beinahe möchte man sagen, ein kühles, erquickendes Lüftchen herein senden.
Nachdem sie eine Weile so gesessen waren, stand Hugo auf, um sich zu empfehlen. Sie begleitete ihn durch die zwei Zimmer – denn das Arbeitszimmer war das dritte und als sie in das letzte Zimmer hinaus gekommen waren, fragte er sie, ob er die Freude haben könne, sie wieder einmal besuchen zu dürfen. Sie sagte, daß er jeden dritten Tag um die vierte Nachmittagsstunde kommen dürfe, und daß sie sich freuen werde, wenn er komme; nur möchte er jetzt nicht mehr vor der Kirche oder in jener Gasse mit ihr zusammen treffen, wo er sie bisher gesehen und auch ein paar Male mit ihr gesprochen habe. Hugo sagte, daß er ihre Worte befolgen werde, verbeugte sich und ging fort. In den Vorzimmern, welche ihm das Mädchen aufgeschlossen hatte, das er sonst immer in grauen Kleidern der Gebieterin aus der Kirche folgen gesehen hatte, saß an einer Arbeit dasselbe Mädchen, war aber heute nicht grau, sondern in die gewöhnlichen bunten Kleider ihrer Gattung gekleidet. Es stand auf, da Hugo das Zimmer betrat, öffnete wieder die Schlösser, um ihn hinaus zu geleiten. Unten im Erdgeschosse sah Hugo neben dem Ausgangstore ein Stübchen, dessen Tür zur oberen Hälfte aus Glas bestand. Daraus sah das Gesicht eines Türstehers heraus, und dieser machte, da Hugo heraus ging, demselben eine Verbeugung und lüftete den Hut. Hugo hatte beim Hereingehen auf jene Stelle nicht hin gesehen.
Draußen standen die Häuser in zwei Reihen dahin und bildeten die Straße. Staub wogte in ihnen, und die beinahe steilrecht herein fallenden Mittagsstrahlen der Sonne beschienen ihn. Die Menschen wandelten in der Straße hin und zurück, wie sie von ihren Geschäften gezogen wurden. Hugo ging nach Hause und saß in seinem Zimmer nieder. Da die Stunde schlug, in welcher er gewöhnlich zu seinem Mittagessen zu gehen pflegte, stand er auf und ging in das Gastbaus, wie er es bisher alle Tage getan hatte. Nachmittag saß er bei seinen Arbeiten, und am Abende ging er auf den Anhöhen um die Stadt spazieren, wie er bisher auch immer getan hatte.
Als die drei Tage vorüber waren, ging er am letzten derselben, da eben die vierte Nachmittagsstunde schlug, in der wohlbekannten Vorstadtstraße dahin. Er kam zudem Garten, und das weiße Häuschen schimmerte ihm aus den Linden wie ein schönes Geheimnis entgegen. Er öffnete das Gartengitter, das heute eingeklinkt, nicht wie damals, wie er hereinfuhr, geöffnet war, tat es hinter sich zu und ging den bekannten Sandweg entlang. Der Garten hatte nur Grasplätze und Zierbäume, keine Blumen oder Obst tragende Bäume oder Gesträuche. In dem Stübchen unter dem Torwege sah er denselben Türsteher aus dem obern Teile der Glastür heraus sehen. Er war ein schon sehr betagter Mann. Hugo ging die Treppe hinan, klingelte an der äußern Tür der Wohnung, und dasselbe Mädchen, welches sonst immer da war, öffnete ihm auch heute und geleitete ihn zu der Gebieterin hinein. Diese war ihm bis in das äußerste Zimmer entgegen gekommen und führte ihn dann, wie das erste Mal, in ihr Arbeitsgemach zurück. Sie war heute wieder nicht in ihr Schwarz, in dem er sie kennen gelernt hatte, gekleidet, sondern, wie das erste Mal mit grauer Seide, war sie heute mit dunkelgrüner angetan. Jedes der Kleider war sehr einfach, aber sehr edel gehalten. Im Stoffe reich, spannten sie um die Hüften und flossen dann in ruhigen Falten hinab. So wie das vorige Mal hatte sie auch heute gar keinen Schmuck an sich, nicht einmal einen Ring an einem Finger – das Kleid schloß an dem Halse, dann war das Haupt mit den gescheitelten braunen Haaren und den glanzvollen großen Augen, mit denen sie ihn ansah, als er hereingetreten war. Hugo war nun in dem Zimmer – heute hatte er schon mehr Macht gehabt, die andern Zimmer, durch die er gekommen war, zu betrachten. Sie waren ohne Prunk, fast möchte man sagen, zu dünne, aber sehr vornehm eingerichtet. Er legte seinen Hut ab und setzte
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