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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wurde der Raum, der sie von dem Lande trennte. Ein Berg hatte ihn früher gedeckt. Man unterschied endlich sehr große Bäume auf ihr, anfangs so, als wüchsen sie gerade aus dem Wasser empor, dann aber auf bedeutend hohem Felsenufer prangend, das fallrecht mit scharfen Klippen in die Flut nieder ging. Hinter dem Grün dieser Baume wanderte ein sanfter Berg, der von dem Abende lieblich gerötet war.
    »Das ist die Grisel am jenseitigen Seeufer,« sagte der Alte auf Victors Frage, »ein bedeutender Berg, der aber doch nicht gar so beschwerlich ist. Es geht ein Pfad über ihn hinüber in die Blumau und ins Gescheid, wo die Hammerschmiede sind.«
    Victor blickte den schönen Berg an, der so wandelte und in das Grün der Bäume sank, wie sie näher kamen.
    Man war endlich in den grünen Widerschein gelangt, den die Baumlasten der Insel in das Wasser des Seees senkten, und fuhr in dem Raume desselben dahin. Da tönte von der Hul herüber das Glöcklein, das zwischen den vier Pfählen hing, und forderte zum Abendgebete auf. Die zwei Schiffenden zogen sogleich ihre Ruder ein und beteten still ihren Abendsegen, während der Kahn im Zuge gleichsam von selbst längs der grauen Felsen hin ging, die von der Insel in den See nieder standen. Auf den Bergen herum war hie und da ein irrendes Licht. Der See hatte sogar Streifen bekommen, deren einige glänzten und selbst Funken empor warfen, obwohl die Sonne schon seit längerer Zeit untergegangen war. Über alles das kamen die fortwährenden emsigen Klänge des Glöckleins herüber, gleichsam von unsichtbaren Händen tönend; denn die Hul war nicht zu sehen, und rings um den See war kein Flecklein, das nur entfernt einem menschlichen Aufenthalte ähnlich gesehen hätte.
    »Im Kloster der Klause muß auch noch eine Glocke sein. Ich glaube, eine schöne Aveglocke,« sagte der Alte, nachdem er seine Mütze wieder aufgesetzt und das Ruder ergriffen hatte, »aber man läutet sie nie; ich wenigstens habe den Ton derselben nie gehört. Auch nicht einmal eine Uhr hört man schlagen. Mein Großvater hat gesagt, daß es sehr schön war, wenn in den vergangenen Tagen das ganze Geläute auf dem See lag – denn damals waren noch die Mönche – und wenn es in dem lichten Morgennebel daher tönte, ohne daß man wußte, woher es komme; denn Ihr werdet gesehen haben, daß wir den Berg umfahren haben, und daß man von der Hul aus die Insel nicht sehen kann. Es ist der hohe Orla, dieser Berg, und zwei Mönche haben ihn einmal bei klafterhohem Schnee überstiegen, da der See gefroren war, aber nicht trug, und da sie keine Lebensmittel mehr hatten. Sie hieben mit den Knechten, die sie in dem Schiffe hatten, eine Straße in das Eis, daß der Kahn gehen konnte, und als sie an dem Berge waren, stiegen sie über den Gipfel in die Hul; denn zwischen dem Berge und dem See ist kein Fußweg möglich. Es sind seitdem wohl über hundert Jahre vergangen, und selten geschieht es, daß der See überall mit einer Decke von Eis überzogen ist.«
    »Sind also einmal Mönche auf der Insel gewesen?« fragte Victor.
    »Ja«, antwortete der Greis. »In sehr alter, alter Zeit sind fremde Mönche hieher gekommen, da noch gar kein Haus an dem ganzen See stand, und da noch nichts in ihm schwamm als ein Baum, der von dem Felsen in ihm herab gefallen war. Sie sind auf Flößen und Tannenästen nach der Insel über gefahren und haben zuerst die Klause gebaut, aus der nach und nach das Kloster entstanden ist, und in späteren Jahren auch die Hul, wo christliche Leute fischten und zur Klause in die Messe fuhren; denn damals waren die Landesherren draußen noch ganz und gar Heiden, und sie schlugen mit ihren Knappen, die grausam und wild waren, die Priester tot, welche aus dem Schottenlande mit dem Kreuze herüber kamen, um zu bekehren. Auf der Insel, die sie sich suchten, fanden die Väter Schutz; denn Ihr werdet es schon erkennen, daß diese Steine, die da nieder steigen, wie eine Festung sind. Es ist hier ein Schaum, wenn nur ein wenig Wind geht, daß er jedes Schiff in sich begraben kann. Nur an einer einzigen Stelle kann man landen, wo nämlich die Felsen zurück weichen und eine Öffnung lassen, in der das Wasser gegen guten Sand ausläuft. Es sind daher die Väter geschützt gewesen, so wie der alte Mann geschützt ist, der sich die Insel zur Wohnung auserkoren hat. Aus dieser Ursache fischt man auch hier nur an ganz schönen und stillen Tagen, wie der heutige einer ist.«
    Während dieser Rede war man nach und nach eine

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