Werke
selber davon zu essen, teils den Hund damit zu füttern. Da dieses Geschäft vollendet war, saß der Wanderer, der das Ziel seiner Reise erreicht zu haben glaubte, heute zum ersten Male in der einfachen Herberge des freien Himmels, und schaute die Gegenstände um sich herum an. Die Berge, die schönen Berge, die ihm, da er gegen sie heran kam, gar so sehr gefallen hatten, wurden immer schwärzer und legten drohende dunkle und zersplitterte Flecke auf den See, auf welchem noch das Blattgold des Abendhimmels lag, das selbst in den dunklen Bergspieglungen zuweilen aufzuckte. Und immer sonderbarer, in die Schatten der Nacht sich hüllend, wurden die Gegenstände um ihn herum. Die Schlacken und das schwache Gold des Sees rührten sich und flossen öfters durcheinander, zum Zeichen, daß ein sanfter Luftzug dort herrschen müsse. Victors Auge, freilich nur an die schönen, heiteren Eindrücke des Tages gewöhnt, konnte sich doch auch nicht wegwenden von diesem allmähligen Verfärben der Dinge und von dem Einhüllen zur Ruhe der Nacht. Die große Ermüdung seiner Glieder ließ ihm das Sitzen auf dem weichen Grase und geschützt von den deckenden Gesträuchen recht angenehm erscheinen. Er saß mit dem Spitze an seiner Seite so lange, bis endlich das Dunkel mit immer größerer Schnelligkeit sich über See, Gebirge und Himmel webte. Dann beschloß er, sich nieder zu legen. Er machte alle Knöpfe seines Rockes zu, wie es ihn die Ziehmutter gelehrt hatte, daß er sich nicht verkühle – er band das Halstuch, das er unter Tags abgetan hatte? wieder um – er tat sein Regenmäntelchen aus Wachstaffet heraus und nahm es über – dann richtete er sich das Ränzchen als Kissen und legte das Haupt darauf, da die Finsternis schon wie eine Mauer um ihn stand. Das Begehren nach Schlummer zog sich, da er lag, bald durch alle seine ermüdeten Glieder. Die Gesträuche flüsterten, da sich das Lüftchen von dem See bis hieher gezogen hatte, und die Brandung murmelte deutlich von Wand zu Wand.
In diese Eindrücke, deren Wirkungen immer schwächer wurden, versanken seine Sinne, und das Bewußtsein wollte eben verschwinden, als er durch ein leises Knorren seines Hundes geweckt wurde. Er schlug die Augen auf – da stand einige Schritte vor ihm dicht am Landungsplatze eine menschliche Gestalt, sich dunkel gegen das schillernde Wasser des Sees werfend. Victor strengte seine Augen an, mehr von der Gestalt zu erkennen, aber die Umrisse zeigten nur, daß sie ein Mann sei, und es ließ sich nicht ermitteln, ob jung oder alt. Die Gestalt stand ganz ruhig und schien unverwandt auf das Wasser hinaus zu schauen. Victor richtete sich zu sitzender Stellung empor, und blieb ebenfalls ruhig. Auf ein neues, stärkeres Knurren des Hundes drehte sich die Gestalt plötzlich um und rief:
»Seid Ihr da, junger Herr?«
»Ein junger Wandersmann mit seinem Hunde ist da,« sagte Victor, »was wollt Ihr?«
»Daß Ihr zum Abendessen kommt, denn die Stunde ist fast schon vorüber.«
»Zum Abendessen? – zu wessen Abendessen? – und wer ist es, den Ihr suchet?«
»Ich suche unsern Neffen; denn der Oheim wartet schon eine Viertelstunde.«
»Seid Ihr sein Gesellschafter, oder sein Freund?« »Ich bin sein Diener, namens Christoph.« »Des Herrn der Klause, meines Oheims?« »Des nämlichen. Er hat die Anzeige Eurer Herreise erhalten.«
»Nun so sagt ihm,« sprach Victor, »daß ich hier die ganze Nacht sitzen will, und daß ich mir eher einen Stein um den Hals hängen und mich in den See werfen lasse, als daß ich den Hund ertränke, der mit mir ist.«
»Ich werde es ihm sagen.«
Mit diesen Worten kehrte sich der Mann um und wollte fortgehen.
Victor rief ihm noch einmal nach: »Christoph, Christoph.«
»Was wollt Ihr, junger Herr?«
»Ist kein anderes Haus, oder eine Hütte, oder sonst ein Ding auf der Insel, in welchem man übernachten könnte?«
»Nein, es ist nichts da,« antwortete der Diener, »das alte Kloster ist zugesperrt, die Kirche auch, die Speicher sind mit altem Geräte vollgepfropft, ebenfalls verschlossen, und sonst ist nichts da.«
»Es ist auch gut,« sprach Victor, »das Haus meines Oheims besuche ich durchaus nicht – von diesem Hause verlange ich keinen Schutz. – – Mir deucht, der alte Schiffmann, der mich herüber geführt hat, hat Euren Namen genannt und hat gesagt, daß Ihr manchmal in die Hul hinaus kämet.«
»Ich hole unsere Lebensmittel und andere Dinge herüber.«
»So hört mich an, ich will Euch Euren Fährlohn
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