Werke
ich würde sie ohne weiteres zu meiner Gattin machen, wenn sie es nur jetzt oder etwa späterhin so wolle, antwortete sie, das sei allerdings sehr ehrenvoll, aber sie könne die Neigung nicht empfinden, die ihr für eine lebenslängliche Verbindung notwendig erscheine. Als ich nach einiger Zeit einmal zu dem Buchenbrünnlein im Hirschkar hinauf ging, sah ich sie auf dem breiten Steine sitzen, der neben dem Brünnlein liegt. Ihr Tuch, das sie gerne an kühleren Tagen um die Schulter trug, hing an dem flachen Aste einer Buche, die etwas weiter zurück steht und nicht hoch vom Boden diesen Ast gerade wie eine Stange zum Aufhängen ausstreckt. Ihr Hut war gleichfalls neben dem Tuche. Auf dem Steine aber saß bei ihr mein Bruder Hippolyt, und sie hielten sich umschlungen. Es war dieser Ort schon lange der ihrer Zusammenkünfte gewesen, ich habe dies erst viel später erfahren. Anfangs wollte ich ihn ermorden, dann aber riß ich das Tuch, das mich wie ein Vorhang verbarg, herunter und schrie: ›So wäre es ja am Ende besser, ihr tätet alles öffentlich und heiratet einander.‹ Von diesem Tage fing ich an, seine Liegenschaften zu ordnen und sein Amt zu befördern, daß sie sich nehmen könnten. Als aber dein Vater auf einige Zeit fort mußte, um noch etwas höher zu steigen, als er dort einen väterlichen Freund, der in einer augenblicklichenVerlegenheit Amtsgelder verwendete, von Pflicht wegen anzeigen sollte, als man in der Stadt schon davon flüsterte, als der Alte sich töten wollte, dein Vater noch in der Nacht hin lief, das Geld erlegte, zur Entkräftung jedes Gerüchtes die Tochter des Mannes, deine nachherige Mutter, zur Frau begehrte, und als die Verbindung wirklich vollzogen war: trat ich mit Hohn vor Ludmilla hin und zeigte ihr, wie sie ihren Verstand und ihr Herz nicht verwenden konnte. – Sie zog mit ihrem späteren Gatten auf das Gütchen hinaus, wo sie nun lebt. – Aber das sind alte Geschichten, Victor, die sind schon lange, lange geschehen, und sind in Vergessenheit geraten.«
Nach diesen Worten nahm er das Bild von dem Tische, wo er es, während er wieder in seinem Sessel gesessen war, liegen gelassen hatte, stand auf, umwickelte es mit der Kette und steckte es in ein kleines Fach neben der Pfeifensammlung.
Das Gewitter war indessen völlig aus geworden, nur sammelten sich, wie es in dergleichen Fällen vorkommt, noch immer gelegentliche Nebel und Wolkenteile in dem Gebirgskessel, welche die Sonne, die ihre heißen Blicke schon länger hervorgeschossen hatte, bald durchscheinen ließen, bald verhüllten.
Wenn der Oheim nach dem Essen einmal aufgestanden war, so setzte er sich nicht leicht wieder nieder. So geschah es auch jetzt. Er nahm seine Flaschen von dem Tische, tat sie in ihre Wandkästchen und sperrte zu. Eben so verfuhr er mit dem Käse und mit den Zuckersachen und goß zur Vorsicht den Hunden noch einmal frisches Wasser in ihren Trog.
Als er mit allem dem fertig war, trat er an das Fenster und schaute auf den Gartenplatz hinunter.
»Siehst du,« sprach er zu Victor, »es ist genau so, wie ich dir neulich sagte. Der Sand ist beinahe trocken, und in einer Stunde wird man sehr bequem auf ihm herum gehen können. Es ist eine Eigenschaft des hiesigen Quarzbodens, der nur locker auf dem Felsengrunde aufliegt, daß er den Platzregen einschluckt wie ein Sieb. Darum muß ich bei den Blumen immer so viel Humus nachführen lassen, und darum vergehen die Obstbäume der Mönche so gerne, während die Rüstern, die Eichen, die Buchen und die andern unserer Bergbäume so gedeihen, weil sie den Felsen suchen, dort Spalten treiben und in sie eindringen.«
Victor ging ebenfalls zu dem Fenster hin und schaute hinunter.
Als später die Haushälterin kam und den Tisch abräumte, und als Christoph, der von der Hul schon zurück war, die Hunde hinaus führte, ging der Oheim durch die Tapetentür in sein Gewehrzimmer.
Der Jüngling aber, der eigentlich nach dem Gewitter im Freien in Weite und Breite herum geschweift wäre, ging jetzt in seine Zimmer und starrte bei dem Fenster hinaus. – – –
Nach einer Weile sah er den Oheim, wie er unten auf dem Gartenplatze Blumen an die Stäbe band.
Da er dann noch längere Zeit in dem einen Zimmer hin und her gegangen war, schritt er doch wieder bei der Tür hinaus und ging in das Freie. Er ging über den Sandplatz, den der Oheim verlassen hatte, gegen das Seeufer zu, wo ein erhöhter Platz des Felsensaumes war, der eine bedeutende Umsicht gewährte. Dort blieb er
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