Werke
daß man sich gerne hinein stürzt und meint, es müsse ewig währen – – und das Alter ist ein Dämmerungsfalter, der recht unheimlich um unsere Ohren weht. Darum möchte man die Hände ausstrecken, um nicht fort zu müssen, weil man so viel versäumt hat. Wenn ein uralter Mann auf einem Hügel mannigfaltiger Taten steht, was nützt es ihm? Ich habe vieles und allerlei getan, und habe nichts davon. Alles zerfallt im Augenblicke, wenn man nicht ein Dasein erschaffen hat, das über dem Sarge noch fortdauert. Um wen bei seinem Alter Söhne, Enkel und Urenkel stehen, der wird oft tausend Jahre alt. Es ist ein vielfältig Leben derselben Art vorhanden, und wenn er fort ist, dauert das Leben doch noch immer als dasselbe, ja man merkt es nicht einmal, daß ein Teilchen dieses Lebens seitwärts gingund nicht mehr kam. Mit meinem Tode fällt alles dahin, was ich als Ich gewesen bin- – –.
Darum mußt du heiraten, Victor, und mußt sehr jung heiraten. Darum mußt du auch Luft und Raum haben, um alle deine Glieder rühren zu können. Dafür nun habe ich gesorgt, weil ich wußte, daß es alle jene nicht konnten, denen man dich anvertraut hat. Nach dem Tode deines Vaters nahm man mir die Macht, und ich habe doch besser gesorgt als die andern. Ich habe mich daran gemacht, dein Gut zu retten, das sonst verloren war. Staune nicht, sondern höre mich lieber. Wozu soll dir auch das Sümmchen deiner Mutter, oder die ewige Versorgung deines Vormundes? Zu nichts, als daß du zerknickt und verkümmert würdest. Ich bin geizig gewesen, aber vernünftiger geizig, als mancher freigebig ist, der sein Geld weg wirft, und dann weder sich noch andern helfen kann. Deinem Vater lieh ich bei Lebzeiten kleine Summen, wie Brüder sonst einander schenken, er gab mir Bescheinigungen darüber, die ich auf sein Besitztum eintragen ließ. Da er nun tot war und die andern Gläubiger, die ihn verlockt hatten, kamen, um das arme Nest zu plündern, da war ich schon da und entriß es mit meinem Rechte ihnen und deinem Vormunde, der auch ein kleines Restchen für dich erstreiten wollte. Die Kurzsichtigen! – – –
Den Gläubigern gab ich nach und nach, was sie eingesetzt hatten, samt den Zinsen, aber nicht, was sie hatten erschinden wollen. Nun ist das Gut schuldenfrei, und der fünfzehnjährige Ertrag liegt für dich in der Bank. Morgen, ehe du fort gehst, gebe ich dir die Papiere; denn da ich jetzt das alles gesagt habe, ist es gut, daß du bald fort gehest. Ich habe den Christoph in die Hul geschickt, daß dich der Fischer, der dich gebracht hat, morgen an dem Landungsplatze wieder hole; denn Christoph hat keine Zeit, dich hinüber zu führen. Willst du morgen nicht fahren, sondern später, so können wir dem Fischer sein Fahrgeld geben und ihn wieder leer zurück gehen lassen. – Ich meine, du sollst ein Landwirt sein, wie es auch die alten Römer gerne gewesen sind, die recht gut gewußt haben, wie man es anfangen soll, daß alle Kräfte recht und gleichmäßig angeregt werden. – Aber du kannst übrigens tun, wie du willst. Genieße nach deiner Art, was du hast. Bist du weise, so ist es gut: bist du ein Tor, so kannst du im Alter dein Leben bereuen, wie ich das meinige bereut habe. Ich habe vieles getan, was gut war, ich habe sehr vieles genossen, was das Leben hat und mit Recht zum Genusse gibt – das war gut; aber ich habe vieles unterlassen, was die Reue und das Nachdenken erweckte, als beide vergebens waren. Denn das Leben flog, ehe es erhascht werden konnte. Du bist wahrscheinlich auch mein Erbe, und darum möchte ich, daß du besser tätest als ich. Daher istmein Rat – ich sage ›Rat‹, nicht Bedingung; denn kein Mensch soll gebunden werden. Reise jetzt zwei bis drei Jahre, komme dann zurück, heirate, behalte anfangs den Verwalter, den ich dir auf das Gut gesetzt habe; denn er wird dich gehörig anweisen. – Das ist meine Meinung, du aber tue, wie du willst.«
Nach diesen Worten hatte der alte Mann zu reden aufgehört. Er legte sein Tellertuch, wie er es gewöhnlich tat, zusammen, rollte es zu einer Walze und schob es so in den silbernen Reif, den er zu diesem Zwecke hatte. Dann stellte er die verschiedenen Flaschen in eine gewisse Ordnung zusammen, legte die Käse und Zuckerbäckereien auf ihre Teller und stürzte die gehörigen Glasglocken darauf. Von all den Sachen trug er aber nichts von dem Tische weg, wie er es sonst immer pflegte, sondern ließ sie stehen und blieb davor sitzen. Das Gewitter war indessen vorüber
Weitere Kostenlose Bücher