Werke
tun konnte, tat ich, du wirst es gleich später hören. Ich ließ dich auch zu dem Zwecke zu mir kommen, daß ich dir nebst andern, was du hier solltest, einen guten Rat gäbe, den dir weder der Federmann, dein Vormund, noch das Weib geben können, und den du dann beliebig befolgen kannst oder nicht. Weil du vielleicht heute noch, gewiß aber morgen fort gehen willst, will ich dir den Rat sagen. Höre mich. Du hast also im Sinne, in ein Amt zu treten, das sie dir verschafften, damit du dein Brod hast und versorgt bist?«
»Ja, Oheim.«
»Siehst du, und ich habe dir schon einen Urlaub ausgewirkt. Wie nötig mußt du also sein, und wie wichtig das Amt, das unausgefüllt auf dich warten kann. Einen Urlaub auf unbestimmte Zeit habe ich hier. Ich kann jeden Augenblick einen Abschied haben, sobald ich nur will. Das Amt bedarf also nicht deiner einzelnen bestimmten Fähigkeiten, ja es harrt schon einer, der nach deinem Austritte das Amt braucht. Du kannst auch jetzt noch in der Tat gar nichts leisten, was wirklich des Antrittes eines Amtes wert wäre, da du kaum ein Jüngling geworden bist, und kaum erst ein Sandhorn von der Erde bekommen hast, daß du es kennen lernest – und du kennst es noch nicht einmal. Wenn du also jetzt einträtest, so könntest du höchstens etwas wirken, was niemand frommt, und was dir doch langsam das Leben aus dem Körper frißt. Ich wüßte dir etwas anderes. Das Größte und Wichtigste, was du jetzt zu tun hast, ist: heiraten mußt du.«
Victor richtete sein klares Auge gegen ihn und fragte: »Was?!«
»Heiraten mußt du – eben nicht auf der Stelle, aber jung mußt du heiraten. Ich werde dir das zeigen. Jeder ist um sein selbst willen da. Das sagen wohl nicht alle, aber sie handeln alle so. Und die es nicht sagen, deren Handlungen sind oft desto ungeschlachter selbstsüchtig. Das wissen die auch recht gut, die sich dem Amte widmen: denn das Amt ist ihnen der Acker, welcher Früchte geben soll. Jeder ist seiner selbst willen da; aber nicht jeder kann es machen, daß er da ist, und mancher streckt sein Leben für etwas dahin, das weniger ist als sieben Pfennige. Der Mann, der zu deinem Schutze aufgestellt ist, meinte gut zu sorgen, wenn er bei Zeiten dein junges Blut einpferche, ganz allein dazu, damit du immer satt zu essen und zu trinken habest; das Weib in ihrer kleinen Gutherzigkeit darbte ein Sümmchen zusammen, ich weiß sogar genau, wie groß es ist, ein Sümmchen, wofür du dir auf einige Zeit Strümpfe anschaffen kannst. Sie hat es wohl gut gemeint, wohl am besten; denn sie ist in ihrem Willen vortrefflich. Aber was soll das alles? – – Jeder ist um sein selbst willen da, aber nur dann ist er da, wenn alle Kräfte, die ihm beschieden worden sind, in Arbeit und Tätigkeit gesetzt werden – denn das ist Leben und Genuß – und wenn er daher dieses Leben ausschöpft bis zum Grunde. Und sobald er so stark ist, seinen Kräften allen, den großen und kleinen, nur allen, diesen Spielraum zu gewinnen, so ist er auch für andere am besten da, wie er nur immer da zu sein vermochte, wie es ja gar nicht anders sein kann, als daß wir auf die wirken, die rings um uns gegeben sind; denn Mitleid, Anteil, Hülfreichigkeit sind ja auch Kräfte, die ihre Tätigkeit verlangen. Ich sage dir sogar, daß die Hingabe seiner selbst für andere – selber in den Tod – wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, gerade nichts anders ist als das stärkste Aufplatzen der Blume des eigenen Lebens. Wer aber in seiner Armut nur eine Lebenskraft einspannt, um nur eine einzige Forderung zu stillen, etwa gar die des Hungers, der ist für sich selber in einer einseitigen und kläglichen Verrückung, und er verdirbt die, die um ihn sind. – O Victor, kennst du das Leben? kennst du das Ding, das man Alter heißt?«
»Wie sollte ich, Oheim, da ich noch so jung bin?«
»Ja, du kennst es nicht, und du kannst es auch nicht kennen. Das Leben ist unermeßlich lange, so lange man noch jung ist. Man meint immer, noch recht viel vor sich zu haben und erst einen kurzen Weg gegangen zu sein. Darum schiebt man auf, stellt dieses und jenes zur Seite, um es später vorzunehmen. Aber wenn man es vornehmen will, ist es zu spät, und man merkt, daß man alt ist. Darum ist das Leben ein unabsehbares Feld, wenn man es von vorne ansieht, und es ist kaum zwei Spannen lang, wenn man am Ende zurück schaut. Auf dem Felde zeitigen so manche andere Früchte, als man zu säen geglaubt hat. Es ist ein schillernd Ding, das so schön ist,
Weitere Kostenlose Bücher