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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wieder ein Brief und allerlei Schriften von ihm an den Vormund gekommen,« sagte die Mutter, »der Vormund ist zu uns heraus gefahren und hat uns den Brief vorgelesen. Der Oheim meinte, daß du schon bei uns sein müssest, und verlangte, daß man dir den Brief mitteile. Nun, du wirst schon erfahren, was er enthält. – Ja, er ist ein vortrefflicher Mann, niemand kann das besser wissen als ich; darum habe ich auch immer darauf gedrungen, daß man dich zu ihm gehen lasse, wie er es verlangte, bis der Vormund einwilligte. Aber, mein Victor, er hat auch eine rauhe und harte Seite, darum hat er es nie machen können, daß ihn jemand liebe. Mir fiel manchesmal bei ihm der Spruch der heiligen Bücher ein, wo einmal die göttliche Gestalt erscheinen sollte: sie war nicht in dem Rollen des Donners, sie war nicht in dem Brausen des Sturmes; aber in dem Säuseln des Lüftchens war sie, das längs des Baches hinab durch die fruchtbaren Büsche ging. Ich habe einmal, da wir noch alle jung waren, gar nicht gewußt, daß ich ihn hochachten müsse. Ich werde dir einstens, wenn du älter geworden bist, etwas von uns erzählen.«
    »Mutter, er hat es mir selber erzählt«, sagte Victor.
    »Er hat es dir erzählt, Kind?« erwiderte die alte Frau, »dann ist er dir geneigter gewesen, als ich dachte.«
    »Er hat mir die Tatsache nur in kurzen Worten gesagt.«
    »Ich werde sie dir einmal in längeren erzählen, dann wirst du sehen, welche kummervollen, traurigen Tage über mich gegangen sind, bis alles so freundlich und herbstlich mit mir geworden ist, wie es ist. Dann wirst du auch einsehen, warum ich dich so sehr liebe, du mein armer, lieber Victor!«
    Mit diesen Worten tat sie nach Art des Alters ihren Arm um sein Haupt, zog es etwas näher und legte ihre Wangen an seine Locken, als wäre sie tief gerührt.
    Als sie sich wieder gefaßt und zurück geneigt hatte, sagte sie: »Victor, in dem Briefe ist gestanden, was er in der letzten Zeit mir dir geredet hat, und was er für dich getan hat.«
    Hanna ging, als die Mutter diese Worte sagte, schnell aus dem Zimmer hinaus.
    »Er hat die Papiere,« fuhr die Mutter fort, »welche dir das Eigentum des Gutes übergeben, an den Vormund ge schickt, du sollst es mit Freude und Dankbarkeit annehmen.«
    »Es ist schwer, Mutter, es ist so seltsam – –«
    »Der Vormund sagt, daß du alles genau so erfüllen sollest, wie es der Oheim begehrt. Du brauchst jetzt gar nicht mehr in dein Amt zu treten, in das er dich hat bringen wollen; denn diese Wendung der Dinge hat niemand vorher sehen können, und es steht dir ein herrliches Leben bevor.«
    »Wird aber Hanna wollen?« sagte Victor.
    »Wer spricht denn von Hanna?« antwortete die Mutter mit vor Freude glänzenden Augen.
    Victor aber konnte vor glühender Verwirrung nichts sagen, er saß da, als müßten ihm vor Schamrot die Wangen zerspringen.
    »Sie wird schon wollen,« sagte die Mutter wieder, »laß es nur gut sein, Kind, es wird alles zum besten ausfallen. Jetzt werden wir an deiner Ausrüstung zu der großen Reise arbeiten. Du bist jetzt dein eigener Herr, der Mittel hat – da muß alles anders werden, und auch wegen der Reise müssen die Sachen nach anderer Art hergerichtet werden. Es wird dies schon meine Sorge sein. Jetzt aber muß ich auch für das Mittagessen sorgen, sieh dir indessen das Haus an, ob sich nichts verändert hat, oder tue, was dir gefällt – die Speisestunde wird ohnehin bald heran rücken.«
    Mit diesen Worten erhob sie sich und ging in die Küche.
    Als das Mittagmahl bereitet und aufgetragen war, saßen die drei wieder bei dem Tische, wie sie jetzt lange nicht bei einander gesessen waren.
    Nachmittag ging Victor in die Gegend hinaus und besuchte alle Plätze, die ihm einst lieb und bekannt gewesen waren; Hanna aber lief in dem Hause herum und tat alles verkehrt.
    Als er abends nach dem Essen schlafen gehen wollte und die Mutter mit der Kerze in der Hand mit ihm ging, führte sie ihn in seine alte Stube, und da sie eintraten, sah er, daß sie gar nicht verändert worden war, wie er es sich doch so lebhaft bei seiner Abreise vorgespiegelt hatte. Sogar der Koffer und die Kisten standen da, wie er sie eingepackt hatte.
    »Siehst du,« sagte die Mutter, »wir haben alles stehen gelassen, weil der Oheim schrieb, daß wir nichts fort schicken sollen, indem es noch ungewiß ist, wie sich dein Schicksal gestalten werde. – Und nun, gute Nacht, Victor.«
    »Gute Nacht, Mutter.«
    Und er sah, da sie fort war, durch sein Fenster

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