Werke
Jahr herum war, fing er gemach an, die Ärzte zu tadeln, welche Schonung der Augen anraten, und überhaupt alle Arzneiwissenschaft und deren Ausübung zu verwerfen. Zuletzt sagte er sich vor, die Ärzte hätten ihn zu dem ganzen Verfahren gebracht, er häufte Schimpf und Schande auf das Gewerbe und tat die Prophezeiung, daß er sich nun selber behandeln werde. Er zog die Fenstervorhänge empor, machte alle Fenster auf, ließ den hölzernen Gang wegreißen – und wenn die Sonne ganz besonders heiß und strahlenreich schien, so saß er ohne Hut mitten in dem Lichtregen im Garten und schaute auf die weiße Mauer des Hauses. Er bekam hiedurch eine Augenentzündung, und als diese vorüber war, wurde er gesund. – Von weiteren Dingen führe ich nur noch an, daß er, als er sich mehrere Jahre sehr eifrig und sehr erfolgreich mit dem Schafwollhandel beschäftigt hatte, plötzlich dieses Geschäft wieder aufgab. Er hatte dann eine sehr große Anzahl Tauben, durchderen Vermischung er besondere Farbenzeichnungen zu erzielen strebte, und dann wollte er eine Sammlung aller möglichen Kaktusarten anlegen.
Ich erzähle diese Sachen, um die Geschlechtsabstammung des Herrn Tiburius fest zu stellen.
Zum zweiten war die Mutter. Sie liebte den Knaben außerordentlich. Sie hielt ihm warm, daß er sich nicht verkühle und ihr durch eine plötzlich hereinbrechende Krankheit entrissen werde. Er hatte sehr schöne gestrickte Unterleibchen, Strümpfchen und Ärmlein, die alle außer dem Nutzen noch manches sehr schöne rote Streifchen hatten. Eine Strickerin war das ganze Jahr für das Kind beschäftigt. Im Bettchen waren feine Lederunterlagen und Lederpolster, und gegen die Zugluft der Fenster stand eine spanische Wand. Für die Gehörigkeit der Speisen sorgte die Mutter schon selber und ließ sie durch keine Dienstleute bestellen. Als er größer war und herum gehen konnte, wählte sie nach bester Einsicht die Kleider. Zur Beschäftigung seiner Einbildungskraft, und daß sie ja nicht durch unliebliche Vorstellungen gepeinigt werde, brachte sie ihm allerlei Spielzeug nach Hause und trachtete dahin, daß das folgende immer das vorhergegangene an Glanz und Schönheit übertreffe. Allein hierin erlebte sie eine Verkehrtheit an dem Knaben, die sie sich ganz und gar nicht denken konnte; denn er legte alle die Dinge, nach kurzer Beschauung und einigem Spielen damit, wieder hin, und da er durch eine Seltsamkeit, die niemand begriff, immer lieber Mädchen-als Knabenspiele trieb, so nahm er alle Male den Stiefelknecht seines Vaters, wickelte ihn in saubere Windel ein und trug ihn herum und herzte ihn.
Drittens war der Hofmeister. Er bekam nämlich einen solchen. Derselbe war ein sehr ordentlicher Mann und wollte, daß alles in Gehörigkeit geschehe, ob nun die Ungehörigkeit einen Schaden bringe oder nicht. Gehörigkeit an sich ist Zweck. Daher litt er nicht, daß der Knabe etwas weitschichtig erklärte oder in abschweifenden Bildern vortrug; denn er, der Hofmeister, war in dem Stücke der Meinung, daß jedes Ding mit denjenigen Worten zu sagen sei, die ihm einzig not täten, mit keinem mehr, mit keinem minder – am allerwenigsten, daß man Nebenumstände bringe und das nackte Ding in Windel wickle. Da nun der Knabe nicht reden durfte wie Kinder und Dichter, so redete er fast wie ein Rezept, das kurz, kraus und bunt ist, und das niemand versteht. – Oder er schwieg und dachte sich innerlich allerlei zusammen, das niemand wissen konnte, eben weil er es niemanden sagte. Er haßte alle Wissenschaft und alles Lernen und konnte nur dazu gebracht werden, wenn der Hofmeister einen langen und bündigen Beweis über den Nutzen und die Vortrefflichkeit der Wissenschaften herbei führte, der den Knaben quälte. Wenn dieser dann nach fleißigen Tagen alles auf einmal hersagen wollte, wurden Dämme und Verschläge aufgebaut und nur der dünne Wasserfaden der Hauptsache heraus gelassen. Da der Hofmeister wegen seiner Tacitusschen Forderung kein Weib bekommen hatte, so blieb er recht lange in dem Hause.
Zum vierten und letzten war der Oheim. Derselbe war ein reicher, unverheirateter Kaufmann in der Stadt; denn Vater und Mutter des Knaben lebten außerhalb derselben auf einem Gute. Obwohl nun die Eltern des Knaben selber reich genug waren, so war doch noch die Erbschaft des Oheims für denselben zu erwarten, und der Hagestolz hatte dies selber oft genug durch seine ausdrücklichen Erklärungen bestätigt. Er nahm sich daher die Befugnis heraus, mit an dem
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