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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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die geschenkten ihnen immer wieder zurück schenkte.
    Als Blondköpfchen schon recht groß geworden war und zu lernen anfing, als Schwarzköpfchen auch schon lernte, und ein freundlicher Lehrer aus der Stadt gekommen war, und mit ihnen auf einem Tische in der Kinderstube die schönen Bücher aufmachte und die Dinge in denselben deutete: wurde auch ein Brüderlein geboren, Sigismund. Und wie Blondköpfchen der Vater, Schwarzköpfchen die Mutter war, so war Sigismund Vater und Mutter, er war Blondköpfchen und Schwarzköpfchen; denn wie sich seine Haare zu entwickeln begannen, so wurden sie anfangs licht, und bildeten sich dann zu braunen Ringeln, die Augen waren nicht blau oder schwarz, sondern braun. Jetzt konnten sie nicht mehr mit der Großmutter auf den hohen Nußberg gehen, weil sie bei dem kleinen Brüderlein bleiben mußte. Mit jemand andern durften sie nicht gehen, und mußten bei dem Hause verweilen. Da gingen sie nun in dem Garten herum, schauten die Obstbäume an, oder sie waren in den Glashäusern und betrachteten die Blumen.
    Als aber das Brüderlein zweimal in dem Winter im großen Wagen mit in die Stadt gefahren, und zweimal im Sommer wieder gekommen war, so war es schon so stark geworden, daß es mit den Schwesterlein und mit der Großmutter herum gehen konnte. Sie gingen durch die Felder, sie gingen in den Wald und übten die Füße. Dann gingen sie wieder auch auf den hohen Nußberg.
    Die Schwesterlein hatten weiße Kleider an, sie hatten gelbe Strohhüte auf, von denen der eine sich mit Blondköpfchens Locken unkenntlich vermischte, der andere sich von Schwarzköpfchens Haupte wie ein Schein abhob, sie hatten rote Bänder an den Hüten und Kleidern, sie trugen Körblein an dem Arme und die weiße Haselrute mit dem Haken in der Hand. Der Knabe hatte weiße Höslein, ein blaues Jäckchen, auch ein Strohhütchen auf den braunen Locken und eine kleinere weiße Rute mit einem Haken. Statt des Körbleins hatte er ein Täschchen von gelbem Leder an grünen Bändern über seine Schulter hängen. Sie gingen viel langsamer, sie rasteten öfter, und die Schwesterlein zeigten dem Bruder viele Dinge an dem Wege, die sie schon kannten, und sie zeigten auch, wie schnell sie gehen könnten, wenn sie wollten, indem sie auf dem Rasen hüpften, auf den Steinen hüpften, vorwärts und wieder rückwärts liefen. Sie gingen durch die Sandlehne, das Gestrippe, durch die Felsen, den Wald, über die graue Mulde und den hohen Nußberg hinan. Sie pflückten sich die Nüsse in ihre Körblein, das Brüderlein langte auch mit seinem kleinen Häklein, und alle halfen zusammen, bis es auch sein Täschchen voll hatte.
    Als sie an der dicken, veralteten Haselwurzel saßen, erzählte die Großmutter wieder eine Geschichte. Sie sagte: »Bei dem Sesselwalde an seinem steilen Mittagsfalle war einstens auch ein Wald, aber er war nicht dicht, es standen Birken und Ahorne auf dem Rasen. Da war ein Schäfer, der die Schafe in das Gehölz führte, daß sie auf dem Rasen weideten, und daß sie ihm Milch und Wolle gaben. Da kam aus dem Sesselwalde ein schwarzer Mann herunter, der sagte, daß in der Harthöhle, wo das Silber rinne, das blutige Licht sei. Der Schäfer wußte nicht, wer der Mann sei, und was das Silber und das blutige Licht sei, und konnte ihn auch nicht fragen, weil er gleich fort ging Aber er wartete, bis er wieder käme. Allein der Mann kam nicht mehr. Da der Schäfer eines Tages ein verlorenes Lamm suchte, ging er dem Bache entgegen, wo er herab fließt, daß er die springenden Wellen in den Augen hatte. Da er das Lamm immer wieder weiter oben blöken hörte, ging er fort und fort. Er ging so weit hinauf, daß der Wald schon sehr dick war, daß der Bach über Steine und Kugeln floß, und daß an den beiden Seiten harte Felsenwände standen. Da sah er aus einem Steine ein Wasser heraus fließen und herab fallen, als ob lauter silberne Bänder und Fransen über die Steine herab gebreitet wären. Da stieg er an dem Steine empor und suchte sich an dem glatten Felsen mit Füßen und Händen zu halten. Als er oben war, sah er, daß das Wasser aus einer Höhle heraus rinne, und daß die Höhle sehr glänzend hart sei, als wäre sie aus einem kunstreichen Steine gehauen worden. Er ging in die Höhle hinein. Sie wurde immer enger, und wurde immer finsterer, und das Wässerlein floß aus ihr hervor. Da sah er es plötzlich in einem Winkel leuchten, als ob ein roter, blutiger Tropfen dort läge. Er ging näher, und es leuchtete fort. Da

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