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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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antwortete ich, »und es wird in kurzem über diese Gegend kommen. Ich bin ein Wandersmann, wie Ihr an meinem Ränzchen seht, und bitte daher, Daß mir in diesem Hause so lange ein Obdach gegeben werde, bis der Regen oder wenigstens der schwerere vorüber ist.«
    »Das Gewitter wird nicht zum Ausbruch kommen«, sagte der Mann.
    »Es wird keine Stunde dauern, daß es kommt,« entgegnete ich, »ich bin mit diesen Gebirgen sehr wohl bekannt, und verstehe mich auch auf die Wolken und Gewitter derselben ein wenig.«
    »Ich bin aber mit dem Platze, auf welchem wir stehen, aller Wahrscheinlichkeit nach weit länger bekannt als Ihr mit dem Gebirge, da ich viel älter bin als Ihr,« antwortete er, »ich kenne auch seine Wolken und Gewitter, und weiß, daß heute auf dieses Haus, diesen Garten und diese Gegend kein Regen niederfallen wird.«
    »Wir wollen nicht lange darüber Meinungen hegen, ob ein Gewitter dieses Haus netzen wird oder nicht«, sagte ich; »wenn Ihr Anstand nehmet, mir dieses Gittertor zu öffnen, so habet die Güte und ruft den Herrn des Hauses herbei.«
    »Ich bin der Herr des Hauses.«
    Auf dieses Wort sah ich mir den Mann etwas näher an. Sein Angesicht zeigte zwar auch auf ein vorgerücktes Alter; aber es schien mir jünger als die Haare, und gehörte überhaupt zu jenen freundlichen, wohlgefärbten, nicht durch das Fett der vorgerückteren Jahre entstellten Angesichtern, von denen man nie weiß, wie alt sie sind. Hierauf sagte ich: »Nun muß ich wohl um Verzeihung bitten, daß ich so zudringlich gewesen bin, ohne weiteres auf die Sitte des Landes zu bauen. Wenn Eure Behauptung, daß kein Gewitter kommen werde, einer Ablehnung gleich sein soll, werde ich mich augenblicklich entfernen. Denkt nicht, daß ich als junger Mann den Regen so scheue; es ist mir zwar nicht so angenehm, durchnäßt zu werden, als trocken zu bleiben, es ist mir aber auch nicht so unangenehm, daß ich deshalb jemanden zur Last fallen sollte. Ich bin oft von dem Regen getroffen worden, und es liegt nichts daran, wenn ich auch heute getroffen werde.«
    »Das sind eigentlich zwei Fragen,« antwortete der Mann, »und ich muß auf beide etwas entgegnen. Das erste ist, Daß Ihr in Naturdingen eine Unrichtigkeit gesagt habt, was vielleicht daher kommt, daß Ihr die Verhältnisse dieser Gegend zu wenig kennt, oder auf die Vorkommnisse der Natur nicht genug achtet. Diesen Irrtum mußte ich berichtigen; denn in Sachen der Natur muß auf Wahrheit gesehen werden. Das zweite ist, daß, wenn Ihr mit oder ohne Gewitter in dieses Haus kommen wollt, und wenn Ihr gesonnen seid, seine Gastfreundschaft anzunehmen, ich sehr gerne willfahren werde. Dieses Haus hat schon manchen Gast gehabt, und manchen gerne beherbergt; und wie ich an Euch sehe, wird es auch Euch gerne beherbergen und so lange verpflegen, als Ihr es für nötig erachten werdet. Darum bitte ich Euch, tretet ein.«
    Mit diesen Worten tat er einen Druck am Schlosse des Torflügels, der Flügel öffnete sich, drehte sich mit einer Rolle auf einer halbkreisartigen Eisenschiene und gab mir Raum zum Eintreten.
    Ich blieb nun einen Augenblick unentschlossen.
    »Wenn das Gewitter nicht kömmt,« sagte ich, »so habe ich im Grunde keine Ursache, hier einzutreten; denn ich bin nur des anziehenden Gewitters willen von der Landstraße abgewichen und zu diesem Hause heraufgestiegen. Aber verzeiht mir, wenn ich noch einmal die Frage anrege. Ich bin beinahe eine Art Naturforscher, und habe mich mehrere Jahre mit Naturdingen, mit Beobachtungen und namentlich mit diesem Gebirge beschäftigt, und meine Erfahrungen sagen mir, daß heute über diese Gegend und dieses Haus ein Gewitter kommen wird.«
    »Nun müßt Ihr eigentlich vollends herein gehen,« sagte er, »jetzt handelt es sich darum, daß wir gemeinschaftlich abwarten, wer von uns beiden recht hat. Ich bin zwar kein Naturforscher, und kann von mir nicht sagen, daß ich mich mit Naturwissenschaften beschäftigt habe; aber ich habe manches über diese Gegenstände gelesen, habe während meines Lebens mich bemüht, die Dinge zu beobachten und über das Gelesene und Gesehene nachzudenken. In Folge dieser Bestrebungen habe ich heute die unzweideutigen Zeichen gesehen, daß die Wolken, welche jetzt noch gegen Sonnenuntergang stehen, welche schon einmal gedonnert haben, und von denen Ihr veranlaßt worden seid, zu mir herauf zu steigen, nicht über dieses Haus und überhaupt über keine Gegend einen Regen bringen werden. Sie werden sich vielleicht, wenn

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