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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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habe ich Schwalben vor den dicken Wolken eines heraufsteigenden Gewitters mit ihrem weißen Bauchgefieder kreuzen gesehen und selbst schreien gehört, und so habe ich Lerchen singend gegen die dunkeln Gewitterwolken aufsteigen gesehen. Das Singen der Waldvögel erschien mir nun als ein schlimmes Zeichen für meine Voraussagung eines Gewitters. Auch fiel mir auf, daß sich noch immer keine Merkmale des Ausbruches zeigten, welchen ich nicht für so ferne gehalten hatte, als ich die Landstraße verließ. Die Sonne schien noch immer auf das Haus, und ihre glänzenden Lichttafeln lagen noch immer auf dem schönen Fußboden des Zimmers.
    Mein Beherberger schien es darauf angelegt zu haben, mich lange allein zu lassen, wahrscheinlich, um mir Raum zur Ruhe und Bequemlichkeit zu geben; denn er kam nicht so bald zurück, als ich nach seiner Äußerung erwartet hatte.
    Als ich eine geraume Weile gesessen war, und das Sitzen anfing, mir nicht mehr jene Annehmlichkeit zu gewähren wie anfangs, stand ich auf und ging auf den Fußspitzen, um den Boden zu schonen, zu dem Büchergestelle, um die Bücher anzusehen. Es waren aber bloß beinahe lauter Dichter. Ich fand Bände von Herder, Lessing, Goethe, Schiller, Übersetzungen Shakespeares von Schlegel und Tieck, einen griechischen Odysseus, dann aber auch etwas aus Ritters Erdbeschreibung, aus Johannes Müllers Geschichte der Menschheit und aus Alexander und Wilhelm Humboldt. Ich tat die Dichter bei Seite, und nahm Alexander Humboldts Reise in die Äquinoktialländer, die ich zwar schon kannte, in der ich aber immer gerne las. Ich begab mich mit meinem Buche wieder zu meinem Sitze zurück.
    Als ich nicht gar kurze Zeit gelesen hatte, trat mein Beherberger herein.
    Ich hatte, weil er so lange abwesend war, gedacht, er werde sich etwa auch umgekleidet haben, weil er doch nun einmal einen Gast habe, und weil sein Anzug so gar unbedeutend war. Aber er kam in den nämlichen Kleidern zurück, in welchen er vor mir an dem Gittertore gestanden war.
    Er entschuldigte sein Außenbleiben nicht, sondern sagte, ich möchte, wenn ich ausgeruht hätte und es mir genehm wäre zu speisen, ihm in das Speisezimmer folgen, es würde dort für mich aufgetragen werden.
    Ich sagte, ausgeruht hätte ich schon; aber ich sei nur gekommen, um um Unterstand zu bitten, nicht aber auch in anderer Weise, besonders in Hinsicht von Speise und Trank lästig zu fallen.
    »Ihr fallt nicht lästig,« antwortete der Mann, »Ihr müßt etwas zu essen bekommen, besonders da Ihr so lange da bleiben müßt, bis sich die Sache wegen des Gewitters entschieden hat. Da schon Mittag vorüber ist, wir aber genau mit der Mittagstunde des Tages zu Mittag essen, und von da bis zu dem Abendessen nichts mehr aufgetragen wird, so muß für Euch, wenn Ihr nicht bis abends warten sollet, besonders aufgetragen werden. Solltet Ihr aber schon zu Mittag gegessen haben und bis abends warten wollen, so fodert es doch die Ehre des Hauses, daß Euch etwas geboten werde, Ihr möget es dann annehmen oder nicht. Folgt mir daher in das Speisezimmer.«
    Ich legte das Buch neben mich auf den Sitz, und schickte mich an zu gehen.
    Er aber nahm das Buch, und legte es auf seinen Platz in dem Büchergestelle.
    »Verzeiht,« sagte er, »es ist bei uns Sitte, daß die Bücher, die auf dem Gestelle sind, damit jemand, der in dem Zimmer wartet oder sich sonst aufhält, bei Gelegenheit und nach Wohlgefallen etwas lesen kann, nach dem Gebrauche wieder auf das Gestelle gelegt werden, damit das Zimmer die ihm zugehörige Gestalt behalte.«
    Hierauf öffnete er die Tür und lud mich ein, in das mir bekannte Speisezimmer voraus zu gehen.
    Als wir in demselben angelangt waren, sah ich, daß in ausgezeichnet schönen weißen Linnen gedeckt sei, und zwar nur ein Gedecke, daß sich eingemachte Früchte, Wein, Wasser und Brod auf dem Tische befanden, und in einem Gefäße verkleinertes Eis war, es in den Wein zu tun. Mein Ränzlein und meinen Schwarzdornstock sah ich nicht mehr, mein Hut aber lag noch auf seinem Platze.
    Mein Begleiter tat aus einer der Taschen seines Kleides ein, wie ich vermutete, silbernes Glöcklein hervor und läutete. Sofort erschien eine Magd und brachte ein gebratenes Huhn und schönen rotgesprenkelten Kopfsalat.
    Mein Gastherr lud mich ein, mich zu setzen und zu essen.
    Da es so freundlich geboten war, nahm ich es an. Obwohl ich wirklich schon einmal gegessen hatte, so war das vor dem Mittag gewesen, und ich war durch das Wandern wieder hungrig

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