Werke
natürliche Färbung mit wenig Glanz und Vortreten der Farben, so gering scheinende, harmlose Linien, und doch eine solche Lieblichkeit, Reinheit, Bescheidenheit, daß man kaum weggehen konnte. Die blonden Haare, die sich von der Stirn gegen hinten zogen, waren fast mit keinem Aufwande gemacht, und doch konnte es kaum etwas Schöneres geben als diese blonden Locken. Der Vater erlaubte, daß ich mir das Bild zweimal auf die Staffelei stellen durfte.
Als wir mit dem Anschauen der Bilder fertig waren, zog der Vater eine flache Lade aus einem Kasten in dem Altertumszimmer, stellte die Lade auf einen Tisch in der Nähe des Fensters, und lud mich ein, hinzu zu gehen und seine geschnittenen Steine anzusehen.
Ich tat es.
Hier war meine Verwunderung fast noch großer als bei den Bildern. Ich fand auf den Steinen die Gestalten wieder, wie die eine war, welche auf der Treppe des Hauses meines Gastfreundes stand.
»Das sind lauter antike Bildungen«, sagte mein Vater.
Es waren verschiedene Steine von verschiedenem Werte und verschiedener Größe. Edelsteine, die durch ihren Stoff einen hohen Wert nach unsern heutigen Begriffen haben, wie Saphire, Rubine, waren nicht dabei; doch aber mindere, die wohl als Schmuck getragen werden können und, wie ich mich jetzt deutlich erinnerte, von unserer Mutter auch bei Gelegenheiten getragen wurden. Es war ein Onyx da, auf welchem eine Gruppe in der gewöhnlichen halb erhabenen Arbeit geschnitten war. Ein Mann saß in einem altertümlichen Stuhle. Er hatte nur geringe Bekleidung. Seine Arme ruhten sehr schlicht an seiner Seite, und sein feines Angesicht war nur ein wenig gehoben. Er war noch ein sehr junger Mann. Frauen, Mädchen, Jünglinge standen seitwärts in leichterer Arbeit und weniger kräftig hervorgehoben, eine Göttin hielt einen Kranz oberhalb des Hauptes des sitzenden Mannes. Mein Vater sagte, das sei sein bester wie größter Stein, und der sitzende Mann dürfte Augustus sein. Wenigstens stimme sein Halbangesicht, wie es auf dem Steine sei, mit jenen Halbangesichtern Augustus' zusammen, die man auf den gut erhaltenen Münzen dieses Mannes sehe. Die Gestalt, die Gliederung, die Haltung dieses Mannes, die Gestalten der Mädchen, Frauen und Jünglinge, ihre Bekleidung, ihre Stellungen in Ruhe und Einfachheit, die deutliche und naturgemäße Ausführung der kleinen Teile in den Gliedern und Gewändern machten auf mich wieder jene ernste, tiefe, fremde, zauberartige Wirkung, welche die Gestalt auf der Treppe in dem Hause meines Gastfreundes in mir hervorgebracht hatte, da ich im vergangenen Sommer während des Gewitters zu ihr empor gestiegen war. Auf den andern Steinen befanden sich Männer in Helmen, entweder schöne junge Angesichter oder alte mit ehrwürdigen Bärten. Solche, die in mittleren Mannesjahren standen, waren gar nicht vorhanden. Auch Frauenköpfe waren auf einigen Steinen zu sehen. Auf mehreren zeigten sich ganze Gestalten, ein Hermes mit den Flügeln an den Füßen, ein schreitender Jüngling, oder einer, der mit dem Arme zum Wurfe mit einem Steine ausholt. Diese Gestalten waren so genau und richtig, daß sie das Vergrößerungsglas ertrugen. Steine mit andern Dingen als menschliche Gestalten hatte mein Vater gar nicht. Ich erinnerte mich, daß ich irgendwo – des Ortes konnte ich mich nicht mehr entsinnen Käfer auf Steine geschnitten gesehen hatte.
»Ich habe die Steine mit menschlichen Gestalten vorgezogen,« sagte mein Vater, als ich in dieser Hinsicht eine Bemerkung machte, »weil sie mir doch dasjenige schienen, was zu dem Menschen in der nächsten Beziehung steht. Ich bin nicht reich genug, eine große Sammlung von geschnittenen Steinen anlegen zu können, in welcher alle Gattungen enthalten sind, so fern man Überhaupt Gelegenheit hat, sie zu kaufen, und weil ich das nicht konnte, so habe ich mich lediglich auf menschliche Gestalten beschränkt, und unter diesen wieder auf jene, deren Erwerb mir ohne Einfluß auf mein Hauswesen möglich war; denn es gibt da Kunstwerke in diesem Fache, welche ein ganzes Vermögen in Anspruch nehmen, von dessen Rente manche kleine Familie, deren Ansprüche nicht zu bedeutend sind, leben könnte.«
Die Männer in den Helmen trugen diese Kopfbedeckung in der gewöhnlichen Art, wie man sie auf den alten Münzen sieht, und wie ich sie schon auf Abbildungen von Kunstwerken in halberhabener Arbeit gesehen habe, die sich auf griechischen oder römischen Bauten befanden. Die einfache Art, den Helm zu tragen, wenn er auch eine
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