Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete ein Pförtchen, wir traten hinaus, und er schloß hinter uns das Pförtchen wieder zu.
    Hinter dem Garten fingen Felder an, auf denen die verschiedensten Getreide standen. Die Getreide, welche sonst wohl bei dem geringsten Luftzuge zu wanken beginnen mochten, standen ganz stille und pfeilrecht empor, das feine Haar der Ähren, über welches unsere Augen streiften, war gleichsam in einem unbeweglichen goldgrünen Schimmer.
    Zwischen dem Getreide lief ein Fußpfad durch. Derselbe war breit und ziemlich ausgetreten. Er ging den Hügel entlang, nicht steigend und nicht sinkend, so daß er immer auf dem höchsten Teile der Anhöhe blieb. Auf diesem Pfade gingen wir dahin.
    Zu beiden Seiten des Weges stand glühroter Mohn in dem Getreide, und auch erregte die leichten Blätter nicht.
    Es war überall ein Zirpen der Grillen; aber dieses war gleichsam eine andere Stille, und erhöhte die Erwartung, die aller Orten war. Durch die über den ganzen Himmel liegende Wolkendecke ging zuweilen ein tiefes Donnern, und ein blasser Blitz lüftete zeitweilig ihr Dunkel.
    Mein Begleiter ging ruhig neben mir, und strich manchmal sachte mit der Hand an den grünen Ähren des Getreides hin. Er hatte sein Netz von den weißen Haaren abgenommen, hatte es in die Tasche gesteckt, und trug sein Haupt unbedeckt in der milden Luft.
    Unser Weg führte uns zu einer Stelle, auf welcher kein Getreide stand. Es war ein ziemlich großer Platz, der nur mit sehr kurzem Grase bedeckt war. Auf diesem Platze befand sich wieder eine hölzerne Bank, und eine mittelgroße Esche.
    »Ich habe diesen Fleck freigelassen, wie ich ihn von meinen Vorfahren überkommen hatte,« sagte mein Begleiter, »obwohl er, wenn man ihn urbar machte und den Baum ausgrübe, in einer Reihe von Jahren eine nicht unbedeutende Menge von Getreide gäbe. Die Arbeiter halten hier ihre Mittagsruhe, und verzehren hier ihr Mittagsmahl, wenn es ihnen auf das Feld nachgebracht wird. Ich habe die Bank machen lassen, weil ich auch gerne da sitze, wäre es auch nur, um den Schnittern zuzuschauen und die Feierlichkeit der Feldarbeiten zu betrachten. Alte Gewohnheiten haben etwas Beruhigendes, sei es auch nur das des Bestehenden und immer Gesehenen. Hier dürfte es aber mehr sein, weshalb die Stelle unbebaut blieb und der Baum auf derselben steht. Der Schatten dieser Esche ist wohl ein sparsamer, aber da er der einzige dieser Gegend ist, wird er gesucht, und die Leute, obwohl sie roh sind, achten gewiß auch auf die Aussicht, die man hier genießt. Setzt Euch nur zu mir nieder, und betrachtet das Wenige, was uns heute der verschleierte Himmel gönnt.«
    Wir setzten uns auf die Bank unter der Esche, so daß wir gegen Mittag schauten. Ich sah den Garten wie einen grünen Schoß schräg unter mir liegen.
    An seinem Ende sah ich die weiße mitternächtliche Mauer des Hauses, und über der weißen Mauer das freundliche rote Dach. Von dem Gewächshause war nur das Dach und der Schornstein ersichtlich.
    Weiter hin gegen Mittag war das Land und das Gebirge kaum zu erkennen wegen des blauen Wolkenschattens und des blauen Wolkenduftes. Gegen Morgen stand der weiße Turm von Rohrberg, und gegen Abend war Getreide an Getreide, zuerst auf unserm Hügel, dann jenseits desselben auf dem nächsten Hügel, und so fort, soweit die Hügel sichtbar waren. Dazwischen zeigten sich, weiße Meierhöfe und andere einzelne Häuser oder Gruppen von Häusern. Nach der Sitte des Landes gingen Zeilen von Obstbäumen zwischen den Getreidefeldern dahin, und in der Nähe von Häusern oder Dörfern standen diese Bäume dichter, gleichsam wie in Wäldchen, beisammen. Ich fragte meinen Nachbar teils nach den Häusern, teils nach den Besitzern der Felder.
    »Die Felder von dem Kirschbaume gegen Sonnenuntergang hin bis zu der ersten Zeile von Obstbäumen sind unser«, sagte mein Begleiter. »Die wir von dem Kirschbaum bis hieher durchwandert haben, gehören auch uns. Sie gehen noch bis zu jenen langen Gebäuden, die Ihr da unten seht, welche unsere Wirtschaftsgebäude sind. Gegen Mitternacht erstrecken sie sich, wenn Ihr umsehen wollt, bis zu jenen Wiesen mit den Erlenbüschen. Die Wiesen gehören auch uns, und machen dort die Grenze unserer Besitzungen. Im Mittag gehören die Felder uns bis zur Einfriedigung von Weißdorn, wo Ihr die Straße verlassen habt. Ihr könnt also sehen, daß ein nicht ganz geringer Teil dieses Hügels von unserm Eigentume bedeckt ist. Wir sind von diesem Eigentume

Weitere Kostenlose Bücher