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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Schaden gelitten hatte. Es sei ein ganz eigenes Ding um die Befähigung und den Drang hiezu.
    »Wir haben schon einmal über Ähnliches gesprochen,« sagte mein Gastfreund, »meine Erfahrungen in der Zeit meines Lebens haben mich gelehrt, daß es ganz bestimmte Anlagen zu ganz bestimmten Dingen gibt, mit denen die Menschen geboren werden. Nur in der Größe unterscheiden sich diese Anlagen, in der Möglichkeit, sich auszusprechen, und in der Gelegenheit, kräftig zur Wirksamkeit kommen zu können. Dadurch scheint Gott die Mannigfaltigkeit der Taten mit ihrem nachdrücklichsten Erfolge, wie es auf der Erde notwendig ist, vermitteln zu wollen. Es erschien mir immer merkwürdig, wo ich Gelegenheit hatte, es zu beobachten, wie bei Menschen, die bestimmt sind, ganz Ungewöhnliches in einer Richtung zu leisten, sich ihre Anlage bis in die feinsten Fäden ihres Gegenstandes ausspricht und zu ihm hindrängt, während sie in anderm bis zum Kindlichen unwissend bleiben können. Einer, der über Kunstdinge trotz aller Belehrung, trotz alles Umganges, trotz langjähriger täglicher Berührung mit auserlesenen Kunstwerken nie anderes als Ungereimtes sagen konnte, war ein Staatsmann, der die feinsten Abschattungen seines Gegenstandes durchdrang, der die Gedanken der Völker und die Absichten der Menschen und Regierungen, mit denen er verkehrte, erriet, und es verstand, alle Dinge seinen Zwecken dienstbar machen zu können, so daß das anderen wie ein Zauberwerk eines Geistes erschien, was gleichsam ein Naturgesetz war. In meiner Jugend kannte ich einen Mann, der mit einem Verstande, über den wir uns vor Bewunderung kaum zu fassen wußten, in die Tiefen eines Kunstwesens, das er besprechen wollte, einging, und Gedanken zu Tage brachte, von denen wir nicht begriffen, wie sie in das Herz eines Menschen haben kommen können; während er die Meinungen und Absichten ganz gewöhnlicher Menschen und gerade solcher, die tief unter ihm standen, nicht durchschaute, und den notwendigen Gang der Staaten nicht sah, weil ihm das Auge dafür versagt war, oder weil er im Drange seiner Gegenstände darauf nicht achtete. Ich könnte noch mehrere Beispiele anführen: den zum Feldherrn Geborenen im Richtersaale um Mein und Dein, oder den, der wissenschaftliche Stoffe fördert, in der Bildung eines Heeres. So hat Gott es auch manchen gegeben, daß sie dem Schönen nachgehen müssen und sich zu ihm wie zu einer Sonne wenden, von der sie nicht lassen können. Es ist aber immer nur eine bestimmte Zahl von solchen, deren einzelne Anlage zu einer besonderen großen Wirksamkeit ausgeprägt ist. Ihrer können nicht viele sein, und neben ihnen werden die geboren, bei denen sich eine gewisse Richtung nicht ausspricht, die das Alltägliche tun, und deren eigentümliche Anlage darin besteht, daß sie gerade keine hervorragende Anlage zu einem hervorragenden Gegenstandehaben. Sie müssen in großer Menge sein, daß die Welt in ihren Angeln bleibt, daß das Stoffliche gefördert werde und alle Wege im Betriebe sind. Sehr häufig aber kömmt es nun leider auf den Umstand an, daß der rechten Anlage der rechte Gegenstand zugeführt wird, was so oft nicht der Fall ist.«
    »Könnte denn nicht die Anlage den Gegenstand suchen, und sucht sie ihn nicht auch oft?« fragte Eustach.
    »Wenn sie in großer Macht und Fülle vorhanden ist, sucht sie ihn,« entgegnete mein Gastfreund, »zuweilen aber geht sie in dem Suchen zu Grunde.«
    »Das ist ja traurig, und dann wird ihr Zweck verfehlt,« antwortete Eustach.
    »Ich glaube nicht, daß ihr Zweck ganz verfehlt wird,« sagte mein Gastfreund, »das Suchen und das, was sie in diesem Suchen fördert und in sich und anderen erzeugt, war ihr Zweck. Es müssen eben verschiedene, und zwar verschieden hohe und verschieden geartete Stufen erstiegen werden. Wenn jede Anlage mit völliger Blindheit ihrem Gegenstande zugeführt würde und ihn ergreifen und erschöpfen müßte, so wäre eine viel schönere und reichere Blume dahin, die Freiheit der Seele, die ihre Anlage einem Gegenstande zuwenden kann oder sich von ihm fern halten, die ihr Paradies sehen, sich von ihm abwenden und dann trauern kann, daß sie sich von ihm abgewendet hat, oder die endlich in das Paradies eingeht, und sich glücklich fühlt, daß sie eingegangen ist.«
    »Oft habe ich schon gedacht,« sagte ich, »da die Kunst so sehr auf die Menschen wirkt, wie ich an mir selber, wenn auch nur erst kurze Zeit, zu beobachten Gelegenheit hatte, ob denn der Künstler bei der

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