Werke
zu dem einfachen Essen, das wir mit unsern Verwandten verzehrten. Nach demselben besuchten wir mit dem jetzigen Eigentümer alle Besitzungen. Der Vater sagte, dort habe sein Vater gepflügt, geeggt, gegraben, hier habe seine Mutter mit der Schwester, der Magd und den Tagelöhnern Heu gemacht, dort seien die Kühe und Ziegen gegen den Wald hinan gegangen, wie sie jetzt gehen, und die Seinigen haben ausgesehen, wie die Leute jetzt aussehen.
Als wir zurückgekehrt waren, verabschiedeten wir uns, der Vater dankte für die Bewirtung und sagte, daß er gegen den Abend noch einmal in das Haus kommen werde.
Da wir uns in dem Zimmer unseres Gasthofes befanden, öffnete der Vater seinen Koffer und nahm allerlei Dinge aus demselben hervor, welche zu Geschenken für die Bewohner des Hauses bestimmt waren, in dem wir gespeist hatten. Ich war von ihm nie in die Kenntnis gesetzt worden, welche Bewohner wir in seinem Vaterhause treffen würden, er mußte sie wohl auch selber nicht genau gekannt haben. Ich war also nicht mit Geschenken versehen. Der Vater hatte aber auch für diesen Fall gesorgt, er gab mir mehrere Dinge, besonders Stoffe, kleine Schmucksachen und ähnliches, um es bei unserem Abendbesuche in dem Hause auszuteilen. Er hatte nicht gleich bei seiner Ankunft die Geschenke mitnehmen wollen, weil er es, obwohl die Leute nur die gewöhnlichen Talbewohner dieser Gegend waren, für unschicklich hielt, mit Gaben belastet das Haus zu betreten und ihnen gleichsam sagen zu wollen: ›Ich glaube, daß ihr das für das Wichtigste haltet.‹ Jetzt aber war er ihnen etwas schuldig geworden und konnte den Dank für die gute Aufnahme abstatten.
Als wir die Geschenke in dem Hause verteilt und dafür die Freude und den Dank der Empfänger geerntet hatten, die in zwei Eheleuten mittlerer Jahre, in deren zwei Söhnen, einer Tochter und in einer alten Großmutter bestanden – den Knecht und die zwei Mägde nicht gerechnet –, war es mittlerweile Nacht geworden, und wir kehrten wieder in unsere Herberge zurück.
Wir blieben noch vier Tage in der Gegend. Der Vater besuchte in meiner Begleitung viele Stellen, die ihm einst lieb gewesen waren, einen kleinen See, einen Felsblock, von dem eine schöne Aussicht war, eine Gartenanlage in einem nicht sehr entfernten schloßähnlichen Gebäude, die hölzerne Schule, und vor allen die eine und eine halbe Wegestunde entfernte Kirche, welche das Gotteshaus des Tales war, und um welche der Kirchhof bog, in welchem sein Vater und seine Mutter ruhten. Eine weiße Marmortafel, die er und sein Bruder hatten setzen lassen, ehrte ihr Angedenken. Sonst ging der Vater auch fast in allen Zeiten des Tages auf den Wegen der Felder und des Waldes herum.
Am fünften Tage traten wir die Rückreise zu den Unsrigen an.
Wir waren am frühen Morgen noch zu unsern Verwandten gegangen. Sie waren, wie es bei Landleuten in solchen Fällen gebräuchlich ist, schöner angekleidet als sonst und erwarteten uns. Wir nahmen in herzlicher Weise Abschied. Ich versprach, da ich ohnehin das Wandern gewohnt sei und viele Gegenden besuche, auch hieher wieder zu kommen und noch öfter in dem kleinen Hause vorzusprechen. Der Vater sagte, es könne sein, daß er wieder komme, oder auch nicht, wie es sich eben beim Alter füge. Man müsse erwarten, was Gott gewähre. Die Leute begleiteten uns in das Gasthaus, und blieben da, bis wir den Wagen bestiegen hatten. Aus den Worten ihres Abschiedes und ihrer Danksagungen erkannte ich, daß der Vater ihnen auch eine Summe Geldes gegeben haben müsse. Sie sahen uns sehr lange nach.
Im Fortfahren war der Vater anfangs ernst und wortkarg, es mochte ihm das Herz schwer gewesen sein. Später entwickelte sich bei uns wieder ein Verkehr der Rede, wie er auf der Herreise gewesen war.
Am Abende des dritten Tages nach unserer Abfahrt waren wir wieder in dem Hause in der Vaterstadt.
Die Mutter war sehr erfreut, daß der Aufenthalt von eilf Tagen in der freien Luft für den Vater von so wohltätigen Folgen gewesen sei. Seine Wangen haben sich nicht nur schön rot gefärbt, sie seien auch voller geworden, und das Auge sei weit klarer, als wenn es immer auf das Papier seiner Schreibstube geblickt hätte.
»Das ist nur die Wirkung des Anfangs und eine Folge des Reizes des Wechsels auf die körperlichen Gebilde,« sagte der Vater, »im Verlaufe der Zeit gewöhnt sich Blut, Muskel und Nerv an die freie Luft und Bewegung, und das erste rötet sich nicht mehr so, und die letzten schwellen. Allerdings aber
Weitere Kostenlose Bücher