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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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lassen, welche jetzt noch in meinen heimatlichen Bergwäldchen verweilten, mancher Fuhrmann, mancher Wanderer begegnete mir, ich ging mit ernstem Herzen weiter, und als die Sonne untergegangen war, hörte ich das Rauschen des Stromes, der mir nun so wichtig geworden war, und sah sein goldenes abendliches Glänzen.
    Ich vergesse mich«, unterbrach sich hier mein Gastfreund, »und erzähle Euch Dinge, die nicht wichtig sind; aber es gibt Erinnerungen, die, wie unbedeutende Gegenstände sie auch für andere betreffen, doch für den Eigentümer im höchsten Alter so kräftig dastehen, als ob sie die größte Schönheit der Vergangenheit enthielten.«
    »Ich bitte Euch,« entgegnete ich, »fahret so fort, und entzieht mir nicht die Bilder, die Euch aus früheren Zeiten übrig sind, sie gehen schöner in das Gemüt und verbinden leichter, was verbunden werden soll, als wenn von dem lebendigen Leben ein flacher Schatten gegeben werden sollte. Auch ist meine Zeit, wenn anders die Eurige nicht strenger zugemessen ist, kein Hindernis, daß Ihr mir irgend etwas vorenthalten solltet.«
    »Meine Zeit«, antwortete er, »ist entweder so gemessen, daß ich nichts anderes tun sollte, als auf mein Ende sehen, oder daß ich über sie verfügen kann, wie ich will; denn was sollte ein so alter Mann noch Ausschließliches zu tun haben? Er mag für die paar Stunden, die ihm übrig sind, noch Blumen zurecht legen, wie er will. Ich tue ja eigentlich hier auf dieser Besitzung nichts anders. Auch dürfte das, was ich Euch sagen will, für Euch nicht ganz unwichtig sein, wie sich wohl in der Folge zeigen wird. Ich fahre daher fort, wie sich eben unter den Worten die Erzählung gibt.
    Die Nacht verbrachte ich in gutem Schlummer, und der erste Morgen sah mich auf einem jener rohen kleinen Schiffe, wie sie damals mit verschiedenen Gütern beladen unsern Strom abwärts befuhren und auch Menschen mit sich nahmen. Mehrere junge Leute, die entweder ganz gleichen oder ähnlichen Beruf mit mir verfolgten, standen auf dem Verdecke und legten sogar manches Mal Hand an die Ruder, da unser Schiff auf dem breiten, rauchenden Strome sich abwärts bewegte, und die kleine Stadt, die uns Nachtherberge gegeben hatte, sich aus den Morgennebeln ringend unsern Augen immer weiter und weiter zurück trat. Manches Lied, mancher Spruch, der aus der Schar meiner Begleiter hervortrat, machte seine Wirkung auf mich, und ich wurde stärker und entschlossener.
    Als am Abende des zweiten Tages unserer Wasserfahrt der hohe, schlanke Turm der Stadt, deren Miteinwohner ich nun werden sollte, gleichsam luftig blau unter den Gebüschen der Ufer sichtbar wurde, als man sich rief und das Zeichen sich zeigte, das man nun nach Verlauf von etwas mehr als einer Stunde erreichen werde, wollte mir das Herz im Busen wieder unruhiger pochen. Dieses Merkmal vergangener Menschenalter, dachte ich, welches so viele große und gewaltige Schicksale gesehen hatte, wird nun auch auf dein kleines Geschick herabsehen, es mag sich nun gut oder übel abspinnen, und wird, wenn es längstens abgelaufen ist, wieder auf andere schauen. Wir fuhren rascher zu, weil alles hoffnungsvoll die Ruder führte, die Entschloßneren sangen ein Lied, und ehe noch die Stunde um war, legte unser Schiff an der steinernen Einfassung des Flusses im Angesichte sehr großer Häuser an. Ein älterer Schüler, der schon zwei Jahre in der Stadt zugebracht hatte und jetzt von den bei seinen Eltern verlebten Ferien zurückkehrte, erbot sich, mir einen Gasthof zur Unterkunft zu zeigen und mir morgen zur Auffindung eines Wohnzimmerchens für mich behilflich zu sein. Ich nahm es dankbar an. Unter dem Torwege des Gasthofes, in den er mich geführt hatte, nahm er Abschied von mir und versprach, mich morgen mit Tagesanbruch zu besuchen. Er hielt Wort, ehe ich angekleidet war, stand er schon in meinem Zimmer, und ehe die Sonne den Mittag erreichte, waren meine Sachen schon in einem Mietzimmerchen, das wir für mich gefunden hatten, untergebracht. Erverabschiedete sich, und suchte seine wohlbekannten Kreise auf. Ich habe ihn später selten mehr gesehen da uns nur die Schiffahrt zusammengebracht hatte, und da seine Laufbahn eine ganz andere war als die meine. Als ich von meinem Stübchen ausging, die Stadt zu betrachten, befiel mich wieder eine sehr große Bangigkeit. Diese ungeheure Wildnis von Mauern und Dächern, dieses unermeßliche Gewimmel von Menschen, die sich alle fremd sind und an einander vorübereilen, die Unmöglichkeit, wenn

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