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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ich einige Gassen weit gegangen war, mich zurecht zu finden, und die Notwendigkeit, wenn ich nach Hause wollte, mich Schritt für Schritt durchfragen zu müssen, wirkte sehr niederdrückend auf mich, der ich bisher immer in einer Familie gelebt hatte und stets an Orten gewesen war, in denen ich alle Häuser und Menschen kannte. Ich ging zu dem Vorstande der Rechtsschule, um mich für die Vorbereitungsjahre zum Staatsdienste einschreiben zu lassen. Er nahm mich meiner trefflichen Zeugnisse willen sehr gut auf und ermahnte mich, durch die große Stadt mich von meinem Fleiße nicht abbringen zu lassen. Ach Gott, die große Stadt war für mich bei meinen so kargen Mitteln nichts als ein Wald, dessen Bäume auf mich keine Beziehung haben, und sie trieb mich durch ihre Fremdartigkeit eher zum Fleiße an, als daß sie mich abgehalten hätte. Am Tage der Eröffnung des Unterrichtes ging ich, derich nun doch schon einige auf mich bezügliche Wege wußte, in die hohe Schule. Dort wogte ein großes Gewimmel durch einander. Alle Fächer wurden hier gelehrt, und für alle Fächer fanden sich Schüler. Die meisten sahen sehr begabt, gebildet und behende aus, so daß ich wieder im Glauben an meine nur geringen Kräfte zu zagen anfing, hier gleichen Schritt halten zu können. Ich begab mich in den Lehrsaal, in den ich gehörte, und setzte mich auf einen der mittleren Plätze. Die Lehrstunde begann und ging vorüber, so wie nun viele nach und nach begannen und vorüber gingen. Sie und die ganze Stadt hatten noch immer etwas Ungewöhnliches für mich. Das Liebste war mir, in meinem Stübchen zu sitzen, an meine Vergangenheit zu denken und sehr lange Briefe an meine Mutter zu schreiben.
    Als einige Zeit verflossen war, wuchs mir Mut und Kraft im Herzen. Unser Lehrer, ein würdiger Rat in der Rechtsversammlung der Schule, lehrte fragend. Ich schrieb getreulich seine Lehren in meine Hefte. Als schon eine große Zahl meiner Mitschüler gefragt worden war, als endlich die Reihe auch mich getroffen hatte, erkannte ich, daß ich vielen, die mich an Kleidern und äußerem Benehmen übertrafen, in unserem Lehrfache nicht nachstehe, sondern einer großen Zahl vor sei. Dies lehrte mich nach und nach die mir bisher fremd gebliebenen Verhältnisse der Stadt würdigen, und sie wurden mir immer mehr und mehr vertraut. Einige Schüler hatte ich schon früher gekannt, da sie vor mir von der nämlichen Lehranstalt, in der ich bisher gewesen war, hieher übergetreten waren, andere lernte ich noch kennen. Als meine Barschaft, mit der ich sehr strenge Haus hielt, sich schon sichtlich zu verringern begann, wurde ich von einem meiner Mitschüler, der mein Nachbar auf der Schulbank war und aus meinem Munde gehört hatte, daß ich früher Unterricht gegeben habe, aufgefordert, seine zwei kleinen Schwestern zu unterrichten. Wir hatten durch die tägliche Berührung eine Art Freundschaft geschlossen, und waren einander geneigt. Als er daher zu Hause gehört hatte, daß man für die zwei kleinen Mädchen einen Lehrer suche, schlug er mich vor, und erzählte mir auch von der Sache. Die Eltern wollten mich sehen, er führte mich zu ihnen, und ich wurde angenommen. Auch hatten die Schritte, welche ich selber nach meiner Berechnung der Dinge getan hatte, um durch Erteilung von Unterricht einen Erwerb zu bekommen, Erfolg. Sie hatten zwar keinen bedeutenden, auf einen solchen hatte ich nicht gerechnet, aber sie hatten doch einen. So war das in Erfüllung gegangen, was ich durch meine Umsiedlung in die große Stadt angestrebt hatte. Ich lebte jetzt sorgenfrei, hatte in dem Hause meines Freundes, in welches ich öfter geladen wurde, eine Gattung Familienumgang, undkonnte mit allem Eifer der Erlernung meines Faches mich widmen.
    In den ersten Ferien besuchte ich die Mutter und Schwester. Ich hatte die besten Zeugnisse in meinem Koffer, und konnte ihnen von meinen sehr guten anderweitigen Erfolgen erzählen; denn gegen das Ende des Schuljahres hatten sich diese sehr gebessert. Mit ganz anderem Herzen als vor einem Jahre konnte ich nach dem Ende der Ferien das mütterliche Haus verlassen und die Reise in die Stadt antreten.
    Nach dem zweiten Jahre konnte ich die Meinigen nicht mehr besuchen. Ich war in der Stadt bekannt geworden, die Art, wie ich Kinder unterrichtete sagte vielen Familien zu, man suchte mich, und gab mir auch einen größeren Lohn. Ich konnte mir dadurch mehr erwerben, legte mir stets etwas als Sparpfennig zurück, und hatte bei der Freudigkeit meines

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