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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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lässiger Vormund, hinterlistige Handelsfreunde, welche zweifelhafte Forderungen stellten, und ein unglücklicher Prozeß, der daraus entsprang, brachten für die Mutter eine Lage herbei, in welcher sie mit Sorgen für unsere Zukunft zu kämpfen hatte. Sie war, da man endlich alles zurRuhe gebracht hatte, auf das Notdürftigste beschränkt. Ich mußte im Herbste das geliebte Haus, das geliebte Tal und die geliebten Angehörigen verlassen. Mit ärmlicher Ausstattung ging ich an der Hand eines größeren Schülers zu Fuß den ziemlich weiten Weg in die Lehranstalt. Dort gehörte ich zu den Dürftigsten. Aber die Mutter sandte das, was sie senden konnte, so genau und zu rechter Zeit, daß ich nie viel, aber doch das zum Bestehen Nötige hatte. Es war an der Anstalt Sitte, daß die Knaben in den höheren Abteilungen denen in den niedreren außerordentlichen Unterricht erteilten und dafür ein Entgelt bekamen. Da ich einer der besten Schüler war, so wurden mir in meinem vierten Lehrjahre schon einige Knaben zum Unterrichten zugeteilt, und ich konnte der Mutter die Auslagen für mich erleichtern. Nach zwei Jahren erwarb ich mir bereits so viel, daß ich meinen ganzen Unterhalt selbst bestreiten konnte. Jede Jahresferien brachte ich bei der Mutter und Schwester in dem weißen Hause zu. Von dem Antreten des Hauses als Erbschaft war nun keine Rede mehr. Ich dachte, ich werde mir durch meine Kenntnisse eine Stellung verschaffen und das Haus und den Grundbesitz einmal als Notpfennig der Schwester überlassen. So war die Zeit heran gekommen, in welcher ich mich für einen Lebensberuf entscheiden mußte. Die damals übliche Vorbereitungsschule, die ich eben zurückgelegt hatte,führte nur zu einigen Lebensstellungen und machte zu andern eher untauglich als tauglich. Ich entschloß mich für den Staatsdienst, weil mir die andern Stufen, zu denen ich von meinen jetzigen Kenntnissen emporsteigen konnte, noch weniger zusagten. Meine Mutter konnte mir mit keinem Rate beistehen. Ich hatte mir ein kleines Sümmchen durch außerordentliche Sparsamkeit zusammengelegt. Mit diesem und tausend Segenswünschen der Mutter versehen und mit den Abschiedstränen der geliebten Schwester benetzt, begab ich mich auf die Reise in die Stadt. Zu Fuße wanderte ich durch unser Tal hinaus, und suchte durch allerlei Betrachtungen die Tränen zu ersticken, welche mir immer in die Augen steigen wollten. Als unsere Wäldergestalten hinter mir lagen, als die Herbstsonne schon auf ganz andere Felder schien, als ich durch meine Jugend hindurch gesehen hatte, wurde mein Gemüt nach und nach leichter, und ich durfte nicht mehr fürchten, daß mir jeder, der mir begegnete, ansehen könne, daß mir das Weinen so nahe sei. Die Entschlossenheit, welche mir eingegeben hatte, in die große Stadt zu gehen und dort mein Heil in dem Berufe eines Staatsdieners zu suchen, ließ mich immer fester und rascher meinen Weg verfolgen und tausend glänzende Schlösser in die Luft bauen. Als ich an jenem Rande angekommen war, wo unser höheres Land in großen Absätzen gegen den Strom hinabgehtund ganz andere Gestaltungen anfangen, sah ich noch einmal um, segnete das Mutterherz, das nun beinahe schon eine Tagereise weit hinter mir lag, streichelte gleichsam mit den Fingern die schönen, langwimperigen Augenlider der Schwester, die immer etwas blaß aussah, segnete unser weißes Haus mit dem roten Dache, segnete all die Felder und Wäldchen, die hinter mir lagen, und die ich durchwandelt hatte, und stieg, nun wirklich schwere Tränen in den Augen tragend, in den tiefen Weg hinunter, welcher damals, unter hohem Laubdache hingehend, einen der Pässe ausmachte, die das rauhere Oberland mit dem tiefen Stromlande verbinden. Ich konnte nun, nachdem ich drei Schritte gemacht hatte, die Gestaltungen meines Geburtslandes nicht mehr sehen, nur sein Rand war alles, was meine Augen erreichen konnten, und was mich noch lange begleiten würde. Ganz andere Bildungen lagen vor mir. Es war mir, ich müsse umkehren, um nur noch einmal zurück schauen zu können. Ich tat es aber nicht, weil ich mich vor mir selber schämte, und ich ging beeiligten Schrittes den Weg hinunter und immer tiefer hinunter. Ich durfte auch nichts verzögern, wenn ich vor Einbruch der Nacht noch zu dem Strome hinunter gelangen wollte, auf dem mich am andern Morgen ein Schiff weiter tragen sollte. Die herbstliche Abendsonne spielte durch die Zweige, manche Kohlmeise ließ einen Ruf erschallen,wie ihn die hatten erschallen

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