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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Sitz war ein angenehmes Haus in der Nähe großer Meiereien, die einem Grafen gehörten. Das Haus war beinahe zwei Tagereisen von der Stadt entfernt. Es war sehr geräumig, hatte eine sonnige Lage, liebliche Rasenplätze um sich, und hing mit einem großen Garten zusammen, in dem teils Gemüse, teils Obst, teils Blumen gezogen wurden. Der Besitzer des Hauses war ein Mann, der von reichlichen Renten lebte, sonst aber kein Amt noch irgend eine andere Beschäftigung zum Gelderwerb hatte. So war er mir geschildert worden, mit dem Beifügen, daß er ein sehr guter Mann sei, mit dem sich jedermann vertrage, daß er eine treffliche, sorgsame Frau habe, und daß außer dem Knaben nur noch ein halberwachsenes Mädchen da sei. Diese Dinge waren es auch vorzüglich, welche mich zur Annahme bestimmt hatten. Mein Name sei der Familie in einem Hause genannt worden, mit dem sie in sehr inniger Beziehung stand, und ich sei sehrempfohlen worden. Man hatte mir auf die letzte Post einen Wagen entgegen gesandt. Es war ein schöner Nachmittag, als ich in Heinbach, das war der Name des Hauses, einfuhr. Wir hielten unter einem hohen Torwege, zwei Diener kamen die Treppe herab, um meine Sachen in Empfang zu nehmen und mir mein Zimmer zu zeigen. Als ich noch im Wagen mit Herausnehmen von ein paar Büchern und andern Kleinigkeiten beschäftigt war, kam auch der Herr des Hauses herunter, begrüßte mich artig, und führte mich selber in meine Wohnung, die aus zwei freundlichen Zimmern bestand. Er sagte, ich möge mich hier zurecht richten, möge hiebei nur meine Bequemlichkeit vor Augen haben, ein Diener sei angewiesen, meine Befehle zu vollziehen, und wenn ich fertig sei und etwa heute noch wünsche, mit seiner Gattin zu sprechen, so möge ich klingeln, der Diener werde mich zu ihr führen. Hierauf verließ er mich unter höflichem Abschiede. Der Mann gefiel mir sehr wohl. Ich entledigte mich meiner staubigen Kleider, reinigte mich, legte nur das Notwendigste in meinem Zimmer in Ordnung, kleidete mich dann besuchsgemäß an, und ließ die Frau des Hauses fragen, ob ich bei ihr erscheinen dürfe. Sie sendete eine bejahende Antwort. Ich wurde über einen Gang geführt, in welchem allerlei Bilder hingen, wir traten in einen Vorsaal und von dem in das Zimmer der Frau. Es war ein großes Zimmer mitdrei Fenstern, an welches ein niedliches Gemach stieß. In diesem Zimmer waren heitere Geräte, einige Bilder, und die Nachmittagssonne war durch sanfte Vorhänge gedämpft. Die Frau saß an einem großen Tische, zu ihren Füßen spielte ein Knabe, und seitwärts an einem kleinen Tischchen saß ein Mädchen und hatte ein Buch vor sich. Es schien, es habe vorgelesen. Die Frau stand auf und ging mir entgegen. Sie war sehr schön, noch ziemlich jung, und was mir am meisten auffiel, war, daß sie sehr schöne braune Haare, aber tief dunkle, große schwarze Augen hatte. Ich erschrak ein wenig, wußte aber nicht warum. Mit einer Freundlichkeit, die mein Zutrauen gewann, hieß sie mich einen Platz nehmen, und als ich dies getan hatte, nannte sie meinen Vor- und Familiennamen, hieß mich beinahe herzlich willkommen, und sagte, daß sie sich schon sehr gesehnt habe, mich unter ihrem Dache zu sehen.
    ›Alfred‹, rief sie, ›komm und küsse diesem Herrn die Hand.‹
    Der Knabe, welcher bisher neben ihr gespielt hatte, stand auf, trat vor mich, küßte mir die Hand und sagte: ›Sei willkommen!‹
    ›Sei auch du willkommen‹, erwiderte ich und drückte ein wenig das Händchen des Knaben. Er hatte ein sehr rosiges Angesicht, ebenfalls braune Haare wie die Mutter, aber dunkelblaue Augen, wie ich sie an dem Vater gesehen zu haben glaubte.
    ›Das ist das Kind, dessentwillen ich Euch so sehr in unser Haus gewünscht habe‹, sagte sie. ›Ihr sollt dasselbe weniger unterrichten, dazu sind Lehrer da, welche das Haus besuchen, sondern wir bitten Euch, daß Ihr bei uns lebet, daß Ihr dem Knaben öfter Eure Gesellschaft gönnt, daß er außer dem Umgange mit seinem Vater auch den eines jungen Mannes hat, was auf ihn Einfluß nehmen möge. Erziehung ist wohl nichts als Umgang, ein Knabe, selbst wenn er so klein ist, muß nicht immer mit seiner Mutter oder wieder nur mit Knaben umgehen. Der Unterricht ist viel leichter als die Erziehung. Zu ihm darf man nur etwas wissen und es mitteilen können, zur Erziehung muß man etwas sein. Wenn aber einmal jemand etwas ist, dann, glaube ich, erzieht er auch leicht. Meine Freundin Adele, die Gattin des Kaufherrn, dessen

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