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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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vermöchtet, von dem Vermögen Eurer Gattin wenigstens eine Zeit hindurch zu leben, was ich bezweifle, so wäre damit doch noch nichts gewonnen, da Mathilde, wie ich sagte, die bei weitem größere Zahl von Eigenschaften noch nicht besitzt,welche eine Gattin und Mutter besitzen muß, da sie ferner nach den Ansichten, die wir über das körperliche Wohl unserer Kinder für unsere Pflicht halten, wenigstens vor sechs oder sieben Jahren sich nicht vermählen kann, und da also die Unsicherheit und Gefahr, wie ich früher sprach, auch bei dieser Eurer Behauptung für sie und Euch vorhanden wären. Da die Kinder in dem Alter Mathildens ihren Eitern ohne Bedingung zu folgen haben, und da gute Kinder, wozu ich Mathilden zähle, auch wenn es ihrem Herzen Schmerz macht, gerne folgen, weil sie der Liebe und der bessern Einsicht der Eltern vertrauen: so hätte ich nur sagen dürfen, mein Gatte und ich erkennen, daß zum Wohle Mathildens das Band, das sie geschlungen hat, nicht fortdauern dürfe, und daß sie daher dasselbe abbrechen möge; allein ich habe Euch die Gründe unserer Ansicht entwickelt, weil ich Euch hochachte, und weil ich auch gesehen habe, daß Ihr mir zugetan seid, wie ja auch Euer Geständnis beweist, welches freilich etwas früher hätte gemacht werden sollen. Erlaubt, daß ich nun auch von Euch etwas spreche. Ihr seid, wenn auch älter als Mathilde, doch als Mann noch so jung, daß Ihr die Lage, in der Ihr seid, kaum zu beurteilen fähig sein dürftet. Mein Gatte und ich sind der Ansicht, daß Ihr, so weit wir Euch kennen, durch Euer Gefühl, das immer edel und warm ist, in die Neigung zu Mathilden, der wir auch als Elternimmerhin einigen Liebreiz zusprechen müssen, gestürzt worden seid, daß sich Euch das Gefühl als etwas Hohes und Erhabenes angekündigt hat, das Euch noch dazu so beseligte, und daß Ihr daher an keinen Widerstand gedacht habt, der Euch ja auch als Untreue an Mathilden erscheinen mußte. Allein Eure Lage, in dieser Art genommen, darf nicht als die gesetzmäßige bezeichnet werden. Ihr seid so jung, Ihr habt Euch in den Anfang einer Laufbahn begeben. Ihr müßt nun in derselben fortfahren, oder, wenn Ihr sie mißbilligt, eine andere einschlagen. In ganz und gar keiner kann ein Mann von Eurer Begabung und Eurem inneren Wesen nicht bleiben. Welche lange Zeit liegt nun vor Euch, die Ihr benützen müßt, Euch in jene feste Lebenstätigkeit zu bringen, die Euch not tut, und Euch jene äußere Unabhängigkeit zu erwerben, die Ihr braucht, damit Ihr beides zur Errichtung eines dauernden Familienverhältnisses anwenden könnt. Welche Unsicherheit in Euren Bestrebungen, wenn Ihr eine verfrühte Neigung in dieselben hinein nehmt, und welche Gefahren in dieser Euch beherrschenden Neigung für Euer Wesen und Euer Herz! Es wird euch beiden jetzt Schmerz machen, das geknüpfte Band zu lösen oder wenigstens aufzuschieben, wir wissen es, wir fühlen den Schmerz, ihr beide dauert uns, und wir machen uns Vorwürfe, daß wir die entstandene Sachlage nicht zu verhindern gewußt haben;aber ihr werdet beide ruhiger werden, Mathilde wird ihre Bildung vollenden können, Ihr werdet in Eurem zukünftigen Stande Euch befestiget haben, und dann kann wieder gesprochen werden. Ihr hättet auch ohne diese Neigung nicht lange mehr in Eurer gegenwärtigen Stellung bleiben können. Wir verdanken Euch sehr viel. Unser Alfred und auch Mathilde reiften an Euch sehr schön empor. Aber eben deshalb hätten wir es nicht über unser Gewissen bringen können, Euch länger zu unserem Vorteile von Eurer Zukunft abzuhalten, und mein Gatte hatte sich vorgenommen, mit Euch über diese Sache zu sprechen. Überdenkt, was ich Euch sagte. Ich verlange heute keine Antwort; aber gebt sie mir in diesen Tagen. Ich habe noch einen Wunsch, ich kenne Euch, und ich will ihn Euch deshalb anvertrauen. Ihr habt eine sehr große Gewalt über Mathilden, wie wir wohl immer gesehen haben, wie sie uns in ihrer Größe aber nicht erschienen ist, wendet, wenn meine Worte bei Euch einen Eindruck machten, diese Gewalt auf sie an, um sie von dem zu überzeugen, was ich Euch gesagt habe, und um das arme Kind zu beruhigen. Wenn es Euch gelingt, glaubt mir, so erweiset Ihr Mathilden dadurch eine große Liebe, Ihr erweiset sie Euch und auch uns. Geht dann mit dem Eifer der Begabung und der Ausdauer, wie Ihr sie in unserem Hause bewiesen habt, an Euren Beruf. Wir waren Euch alle sehr zugetan, Ihr werdetwieder Neigung und Anhänglichkeit finden, Ihr werdet ruhiger

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