Werke
unmöglich hielt. Gustav, Gustav, Gustav, wie konntest du das tun?‹
Sie ging einige Schritte von mir weg, kniete, gegen die Rosen, die an dem Gartenhause blühten, gewendet, in das Gras nieder, schlug die beiden Hände zusammen und rief unter strömenden Tränen: ›Hört es, ihr tausend Blumen, die herabschauten, als er diese Lippen küßte, höre es du, Weinlaub, das den flüsternden Schwur der ewigen Treue vernommen hat, ich habe ihn geliebt, wie es mit keiner Zunge, in keiner Sprache ausgesprochen werden kann. Dieses Herz ist jung an Jahren, aber es ist reich an Großmut; alles, was in ihm lebte, habe ich dem Geliebten hingegeben, es war kein Gedanke in mir als er, das ganze künftige Leben, das noch viele Jahre umfassen konnte, hätte ich wie einen Hauch für ihn hingeopfert, jeden Tropfen Blut hätte ich langsam aus den Adern fließen und jede Faser aus dem Leibe ziehen lassen – und ich hätte gejauchzt dazu. Ich habe gemeint, daß er das weiß, weil ich gemeint habe, daß er es auch tun würde. Und nun führt er mich heraus, um mir zu sagen, was er sagte. Wären was immer für Schmerzen von außen gekommen, was immer für Kämpfe, Anstrengungen und Erduldungen; ich hätte sie ertragen, aber nun er – er –! Er macht es unmöglich für alle Zeiten, daß ich ihm noch angehören kann, weil er den Zauber zerstört hat, der alles band, den Zauber, der ein unzerreißbares Aneinanderhalten in die Jahre der Zukunft und in die Ewigkeit malte.‹
Ich ging zu ihr hinzu, um sie empor zu heben. Ich ergriff ihre Hand. Ihre Hand war wie Glut. Sie stand auf, entzog mir die Hand, und ging gegen das Gartenhaus, an dem die Rosen blühten.
›Mathilde‹, sagte ich, ›es handelt sich nicht um den Bruch der Treue, die Treue ist nicht gebrochen worden. Verwechsle die Dinge nicht. Wir haben gegen die Eltern unrecht gehandelt, daß wir ihnen verbargen, was wir getan haben, und daß wir in dem Verbergen beharrend geblieben sind. Sie fürchten Übles für uns. Nicht die Zerstörung unserer Gefühle verlangen sie, nur die Aufhebung des Äußerlichen unseres Bundes auf eine Zeit.‹
›Kannst du eine Zeit nicht mehr du sein?‹ erwiderte sie, ›kannst du eine Zeit dein Herz nicht schlagen lassen? Äußeres, Inneres, das ist alles eins, und alles ist die Liebe. Du hast nie geliebt, weil du es nicht weißt.‹
›Mathilde‹, antwortete ich, ›du warst immer so gut, du warst edel, rein, herrlich, daß ich dich mit allen Kräften in meine Seele schloß: heute bist du zum ersten Male ungerecht. Meine Liebe ist unendlich, ist unzerstörbar, und der Schmerz, daß ich dich lassen muß, ist unsäglich, ich habe nicht gewußt, daß es einen so großen auf Erden gibt; nur der ist größer, von dir verkannt zu sein. Ich unterscheide nicht, wer dir das Gebot der Eltern hätte sagen sollen, es ist das einerlei, sie sind die Eltern, das Gebot ist das Gebot, und das Heiligste in uns sagt, daß die Eitern geehrt werden müssen, daß das Band zwischen Eltern und Kind nicht zerstört werden darf, wenn auch das Herz bricht. So fühlte ich, so handelte ich, und ich wollte dir das Notwendige recht sanft und weich sagen, darum übernahm ich die Sendung; ich glaubte, es könne dir niemand das Bittere so sanft und weich sagen wie ich, darum kam ich. Aus Güte, aus Mitleid kam ich. Die Pflicht leitete mich, in der Pflicht bricht mein Herz, und in dem brechenden Herzen bist du.‹
›Ja, ja, das sind die Worte‹, sagte sie, indem ihr Schluchzen immer heftiger und fast krampfhaft wurde, ›das sind die Worte, denen ich sonst so gerne lauschte, die so süß in meine Seele gingen, die schon süß waren, als du es noch nicht wußtest, denen ich glaubte, wie der ewigen Wahrheit. Du hättest es nicht unternehmen müssen, mich zur Zerreißung unserer Liebe bewegen zu wollen, es soll, wenn hundertmal Pflicht, dir nicht möglich gewesen sein. Darum kann ich dir jetzt nicht mehr glauben, deine Liebe ist nicht die, die ich dachte, und die die meinige ist. Ich habe den Vergleichpunkt verloren, und weiß nicht, wie alles ist. Wenn du einst gesagt hättest, der Himmel ist nicht der Himmel, die Erde nicht die Erde, ich hätte es dir geglaubt. Jetzt weiß ich es nicht, ob ich dir glauben soll, was du sagst. Ich kann nicht anders, ich weiß es nicht, und ich kann nicht machen, daß ich es weiß. O Gott! daß es geworden ist, wie es ward, und daß zerstörbar ist, was ich für ewig hielt! Wie werde ich es ertragen können?‹
Sie barg ihr Angesicht in den Rosen
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