Werke
der zu zerlegen war, und wurde in dem Marmorsaale auf einer Staffelei aufgestellt. Wir reisten alle in den Asperhof. Das Bild wurde vielfach betrachtet und besprochen. Roland war in einer gehobenen, schwebenden Stimmung; denn was auch die Meinung seiner Umgebung war, wie sehr sie auch das Hervorgebrachte lobte und wohl auch Hindeutungen gab, was noch zu verbessern wäre: so mochte ihm sein Inneres versprechen, daß er einmal vielleicht noch weit Höheres, ja ein ganz Großes zu Stande zu bringen vermögen werde. Risach sagte ihm die Mittel zu, reisen zu können, und ordnete die Zubereitung zu einer baldigen Abreise nach Rom an. Gustav mußte noch den Winter im Asperhofe zubringen. Im Frühlinge sollte er endlich in die Welt gehen.
So waren nun mannigfaltige Beziehungen geordnet und geknüpft.
Mathilde hatte einmal, da ich sie im Sternenhofe besuchte, zu mir gesagt, das Leben der Frauen sei ein beschränktes und abhängiges, sie und Natalie hätten den Halt von Verwandten verloren, sie müßten manches aus sich schöpfen, wie ein Mann, und in dem Widerscheine ihrer Freunde leben. Das sei ihre Lage, sie daure ihrer Natur nach fort und gehe ihrer Entwicklung entgegen. Ich hatte mir die Worte gemerkt und hatte sie tief ins Herz genommen.
Ein Teil dieser Entwicklung, glaubte ich nun, war gekommen, der zweite wird mit Gustavs Ansiedlung eintreten. An mir hatten die Frauen wieder einen Halt gewonnen, daß sich ein fester Kern ihres Daseins wieder darstelle; ein neues Band war durch mich von ihnen zu den Meinigen geschlungen, und selbst das Verhältnis zu Risach hatte an Rundung und Festigkeit gewonnen. Den Abschluß der Familienzusammengehörigkeit wird dann Gustav bringen.
Was mich selber anbelangt, so hatte ich nach der gemeinschaftlichen Reise in die höheren Lande die Frage an mich gestellt, ob ein Umgang mit lieben Freunden, ob die Kunst, die Dichtung! die Wissenschaft das Leben umschreibe und vollende, oder ob es noch ein Ferneres gäbe, das es umschließe und es mit weit größerem Glück erfülle. Dieses größere Glück, ein Glück, das unerschöpflich scheint, ist mir nun von einer ganz anderen Seite gekommen, als ich damals ahnte. Ob ich es nun in der Wissenschaft, der ich nie abtrünnig werden wollte, weit werde bringen können, ob mir Gott die Gnade geben wird, unter den Großen derselben zu sein, das weiß ich nicht; aber eines ist gewiß, das reine Familienleben, wie es Risach verlangt, ist gegründet, es wird, wie unsre Neigung und unsre Herzen verbürgen, in ungeminderter Fülle dauern, ich werde meine Habe verwalten, werde sonst noch nützen, und jedes, selbst das wissenschaftliche Bestreben hat nun Einfachheit, Halt und Bedeutung.
Witiko
SEINEN LANDSLEUTEN
INSBESONDERS DER ALTEN
EHRWÜRDIGEN STADT PRAG
WIDMET DIESEN
DICHTUNGSVERSUCH
AUS DER GESCHICHTE
SEINES HEIMATLANDES
MIT TREUER LIEBE
DER VERFASSER
Linz, im Christmonate
1864
Vorwort
In meiner Kindheit traten mir schon öfter Spuren eines Geschlechtes entgegen, das im mittäglichen Böhmen gehaust hat und in der Erinnerung und in den Erzählungen des Volkes fortlebte. Als Jüngling ging ich diesen Spuren nach, und habe manchen Tag in den Trümmern der Stammburg dieses Geschlechtes zugebracht. Hierauf strebte das Ding sich in verschiedenen kindischen Versuchen dichterisch zu gestalten. Später fand sich, begleitet von mancher Unterbrechung und Wiederaufnahme, etwas Ernsteres zusammen, und ging in jüngster Zeit der Vollendung entgegen, welche Vollendung wieder durch ein langes Unwohlsein aufgeschoben wurde. Da gaben mir Freunde den Rat, vorerst den Beginn des Werkes vorzulegen, was hiemit geschieht. Wie weit dieses ersprießlich ist, sei einem glimpflichen Urteile anheim gestellt. Mögen die Männer der Geschichte, wenn einige aus ihnen die folgenden Blätter einer Durchsicht würdigen, nicht zu viel Unrichtiges in ihnen finden, und die Männer der Dichtung nicht zu viel Unkünstlerisches, und mögen, wenn mir Gott die Beendigung meines Unwohlseins und eine neue erhöhtere Kraft schenkt, die folgenden Bände besser gelingen als dieser erste.
Linz, im Christmonate 1864.
Adalbert Stifter
Erster Band
1
Es klang fast wie Gesang von Lerchen.
Am oberen Laufe der Donau liegt die Stadt Passau. Der Strom war eben nur aus Schwaben und Baiern gekommen, und netzt an dieser Stadt einen der mittäglichen Ausgänge des bayerischen und böhmischen Waldes. Dieser Ausgang ist ein starkes und steiles Geklippe. Die
Weitere Kostenlose Bücher