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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Wladislaw den Sohn unsers erlauchten Herzogs Sobeslaw nicht als Nachfolger seines Vaters wählen, so schlage ich einen andern Wladislaw vor, nämlich Wladislaw den Sohn des weisen und milden Herzogs Wladislaw, den Enkel des Königs Wratislaw, den Bruderssohn des jetzigen Herzogs Sobeslaw. Er ist der Sohn des Mannes, welcher in sechzehn Jahren seiner Herrschaft nur immer gut gewesen ist, welcher freiwillig seinem Bruder Boriwoy den Fürstenstuhl abtrat, und welcher uns auf seinem Sterbebette den guten Herzog Sobeslaw gab, der nun selber im Sterben liegt. Der Jüngling ist heiter und freundlich wie sein Vater, er geht mit unsern Angehörigen um, und er wird unsere gerechten Ansprüche erfüllen.«
    »Ja, ja«, riefen Stimmen. »Ja, ja, ja«, riefen noch mehrere Stimmen, und Beifallsruf erhob sich.
    Als er verhallt war, stand Slawibor auf, und sagte: »Ich denke, daß wir doch auch nicht auf Wratislaw von Brünn vergessen sollen, damit wir seine Ansprüche und Eigenschaften gerecht und genau prüfen.«
    »Ja, wir sollen sie prüfen«, rief eine Stimme.
    »Ja, ja«, riefen mehrere Stimmen.
    »Wratislaw«, riefen andere, und es ertönte wieder Beifall.
    Nun erhob sich Silvester der Bischof von Prag. Er trat in den freien Raum, richtete seine Augen gegen die Versammlung, blieb stehen, und sprach: »Liebe Gute Ansehnliche! Nach Slawibor bin ich an der Reihe zu reden. Ihr seht, daß meine Haare weiß sind, und mein Nacken gebeugt ist. Ich rede nicht aus Lust oder Unlust oder für eine Person, sondern als der, der zum obersten Seelenhirten dieses Landes erwählt ist, wenn auch nicht würdig und noch nicht von seinem erzbischöflichen Oberherrn von Mainz geweiht. Ich habe nicht für den Jüngling, welchen der Herzog gesendet hat, gesprochen, daß es nicht scheine, daß ich nur durch Gunst für den Herzog Sobeslaw bewegt sei. Ich rede zu euch, weil ihr Christen seid. Es sind in Prag und in dieser Burg Wysehrad Versammlungen gehalten worden, und es ist heute hier eine große Versammlung, zu welcher fast alle Herren der Länder Böhmen und Mähren gekommen sind. Diese Versammlungen haben in der bangen Lage um Rettung und um einen Herzog gesucht. Aber die Versammlungen bestehen vor dem Auge Gottes nicht. Unser Herzog lebt, und ist in Hostas Burg schwer erkrankt. Die Arzneiverständigen sagen, daß er an dieser Krankheit sterben werde; aber der den Lazarus erweckt hat, der zu dem Krüppel gesagt hat: Geh, und wandle, der kann ihn zu uns führen, und ihn für den Fürstenstuhl noch eine Reihe von Zeiten erhalten. Wenn aber auch in seinem Rate bestimmt ist, daß der Herzog in das selige Leben gerufen werden soll, so ist auch darnach der Herzog vorhanden; fast alle in diesem Saale, so weit meine Augen reichen, haben Wladislaw den Sohn unsers erlauchten Herzogs Sobeslaw, welchen der deutsche König Konrad vor zwei Jahren am zweiundzwanzigsten Tage des Monates Mai auf dem Fürstentage zu Bamberg mit der Herzogsfahne Böhmens belehnt hatte, auf dem Tage unserer Länder in Sadskaam neunundzwanzigsten des Brachmonates desselben Jahres in diese Belehnung eingeführt. Es besteht demnach Wladislaw der Sohn unsers guten Herzogs Sobeslaw als künftiger Herzog. Schon die Priester der falschen Götter, welche in Griechenland und Rom und vor kurzer Zeit auch noch in diesem Lande nur in einer andern Weise verehrt worden sind, haben harte Strafen für den Frevel des Meineides verkündet: um wie viel mehr straft ihn der gerechte und der einzig wahre Gott der Christen. Aber nicht der Strafe sondern des Glaubens willen halten die Christen ihr Gelöbnis. Und wenn die Hand des Meineidigen verdorrt ist, oder aus dem Grabe heraus gewachsen ist, oder wenn Gott durch Wunder und Zeichen Entsetzen in die Seele des Meineidigen geworfen hat, so hat er dadurch nur den Abscheu vor diesem unmenschlichsten aller Frevel kund getan. Und auch der irdische Vorteil, den ihr durch Meineid erstrebt, wird nicht erreicht. Die Vereinigung im Unrechte ist schwach, wie stark auch die Verbindungsstelle zu sein scheint; denn der Fürst der Zwietracht, der den Faden geschlungen hat, zerreißt ihn wieder, weil er leicht zu zerreißen ist, und stößt die Glieder gegen einander, weil man von Unrecht leicht wieder zu Unrecht geht: die Vereinigung im Rechte aber ist stark, wie schwach auch die Verbindungsstelle zu sein scheint, weil Gott den Faden geknüpft hat, und weil man erschrickt, vomRechte zu weichen. Wer durch den Knaben David den Riesen Goliath erschlagen hat, wer durch den

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