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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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haben.«
    »Ich kann viele Menschen in ihrem Tun nicht begreifen und erkennen«, sagte Witiko.
    »Sie sich selber nicht«, antwortete Lubomir, »sie werden von der Wut ihrer Triebe gejagt, und können nicht ermessen, was sie zu einer Zeit zu tun im Stande sein werden. Wenn der alte Bolemil das neunzigste Jahr erreicht, wie es seinem Vater gegönnt war, dann können seine Augen noch sehen, was er ihnen geweissagt hat. Dich wollte ja der neue Herzog bei sich behalten?«
    »Ja«, entgegnete Witiko, »ich muß mich aber erst zurecht finden.«
    »Du wirst vielleicht das Rechte finden, mein Kind Witiko«, sagte Lubomir, »die Bestrebungen müssen erst offener werden, dann werden viele Sinne klarer sehen, was sie tun sollen. Der Herzog sucht sich überall zu stärken. Er vermehrt seine Leute um sich, sucht Landesteile zu befestigen, und Freunde zu gewinnen. Er hat den Sohn des schwarzen Otto wieder in das Herzogtum Olmütz eingesetzt, und hat Wladislaw den Sohn des Herzogs Sobeslaw, der früher dort war, zu sich nach Prag gezogen, um seine Augen auf ihm zu behalten. Er hat ihn sehr reichlich ausgestattet, und zieht ihn überall hervor. Er ist auch mit seiner jungen Gemahlin im Frühling zu dem deutschen Könige Konrad nach Würzburg gegangen.«
    »Der deutsche König Konrad ist ja der Halbbruder Gertruds der Gemahlin Wladislaws«, sagte Witiko.
    »Es kann dies der Grund sein, weshalb sie zu ihm gegangen sind, es können auch Bündnisse geschlossen worden sein«, entgegnete Lubomir. »Die dem Wahltage auf dem Wysehrad beigewohnt haben, sind zum Teile um Wladislaw, zum Teile sind sie zerstreut, können aber immer wieder gesammelt werden. Sei es nun, wie es ist, wir müssen harren, was kommen wird.«
    »Wisset Ihr etwas von der erlauchten Herzogin Adelheid?« fragte Witiko.
    »Ich weiß etwas von ihr«, sagte Lubomir, »sie ist noch immer mit ihren Kindern Sobeslaw Ulrich und Wenzel in Hostas Burg.«
    »Im Winter hat mir ein Bote gesagt, daß sie damals dort war«, entgegnete Witiko.
    »Sie ist noch dort«, sagte Lubomir, »und will dort bleiben, und trauern. Sie hat die unbeschränkte Herrschaft über die Burg, und der Herzog hat Bores zu ihrem Kastellan eingesetzt.«
    »Das ist gut für sie«, sagte Witiko.
    »Es ist gut«, antwortete Lubomir.
    »In dem Lande ist aber überall Ruhe«, sagte Witiko.
    »Jetzt ist Ruhe«, antwortete Lubomir, »insonderheit bei uns, die wir abgelegen sind. Hier lebt das Volk in der Unwissenheit der Dinge, die da kommen werden, es bebaut die Felder, und liebt die Sackpfeife und den Tanz. Wir, die wir in dem Lande zu Wächtern der Pflege des Volkes gesetzt sind, können nichts tun, als ihre Anliegen schlichten, ihnen Rat und Hilfe geben, und den Glauben fördern, durch den sie gesitteter und beglückter werden.«
    »Ich habe vor vier Tagen gehört, wie sie im Mondscheine im Walde einen heidnischen Gesang gesungen haben«, sagte Witiko.
    »Sie haben eine Tryzne gefeiert«, entgegnete Lubomir, »das geschieht noch immer, und wird vielleicht noch lange dauern. Das Volk liebt die alten Bräuche, und das ist gut; es würde Land und Leute umkehren, wenn es sich in jedem Augenblicke änderte. Wenn auch der Glaube hier im Mittage viel älter ist als gegen Mitternacht, wo sie näher an den heidnischen Gebieten liegen, so sind doch auch hier viele Sitten geblieben, die an die alte Zeit erinnern, und werden viele Jahre bleiben. Wenn die Bräuche nicht Glaubenslehren sind, so schaden sie nicht viel. Und einmal wird eine Zeit kommen, wo sich alles vermischt, und die Leute nicht mehr wissen, ob ein Brauch ein heidnischer oder christlicher ist. Wenn du zur Zeit der Sonnenwende einmal hier wärest, so würdest du auf allen Hügeln die alten Feuer erblicken, die sie einst der Wende der Sonne angezündet haben. Wenn sie die heilige Jungfrau Maria anrufen, so gehen noch manche zu heiligen Bäumen, oder zu heiligen Felsen, und singen zu ihr, da sie sich die Stirne berühren. Sie üben auch Zeichendeuterei, feien das Vieh, wenn es zum ersten Male auf die Weide geht, und halten den Sperber für einen heiligen Vogel.«
    »Ich habe überall die Sonnenwendfeuer anzünden gesehen, wo ich bisher gewesen bin«, sagte Witiko, »die Baiern an der Donau an dem Inn an der Traun und an der Enns tun es auch.«
    »So ist der Brauch ein weit verbreiteter«, entgegnete Lubomir, »und wird um so weniger schnell verschwinden. Sonst ist unser Volk hier gut und sanft, und verdient wohl, daß man es schützt, und wahrt, und nicht in

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