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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Untergange neigte, war er vor dem Zupenorte Daudleb angekommen. Er ritt auf dem Fahrstege über den Fluß Malsch, zwischen den Häusern fort, und gegen den Zupenhof zu. Derselbe lag abgesondert, hatte graue Mauern und steile Schindeldächer. Er war durch starke Zinnen beschützt. Witiko ritt gegen das Tor, welches niedrig war und einen großen Rundbogen aus alter Zeit hatte. Es stand offen, und er ritt durch dasselbe hinein. Er kam in einen Hof, welcher von Ställen Scheunen und ähnlichen Gebäuden gebildet wurde. Hier fragte ihn ein Mann um sein Begehren. Witiko sagte, daß er zum Zupane wolle. Der Mann hielt ihm den Bügel, da er abstieg, und half ihm, sein Pferd unterbringen. Darauf führte er ihn in einen zweiten Hof, und von diesem in einen großen Saal, in welchem mehrere steinerne Tische waren. Vor einem derselben saß auf einem steinernen unbeweglichen Stuhle, über welchen ein Teppich gebreitet war, der Zupan Lubomir. Er hatte ein weites dunkles Gewand an, auf welches seine unbedecktem weißen Haare nieder fielen. Vor ihm stand ein Mann in einem grauen Gürtelkleide, mit welchem Manne er redete. Einige Schritte hinter dem Manne stand ein Weib in einem halbweiten blauen Kleide, um welches sie einen Gürtel aus einem Baststricke hatte. Der Mann, welcher Witiko herein geführt hatte, bedeutete ihn, wieder einige Schritte hinterdem Weibe stehen zu bleiben, und zu warten, und entfernte sich dann aus dem Saale. Lubomir setzte sein Gespräch mit dem Manne in dem grauen Gürtelgewande fort. Endlich machte der Mann eine Bewegung wie die des Dankes, und verließ den Saal. Jetzt trat das Weib zu Lubomir, und begann zu sprechen, er antwortete ihr, sie sprach wieder, und er antwortete ihr wieder. Dieses dauerte eine geraume Zeit. Dann wollte sie den Zipfel seines Kleides küssen, er ließ es aber nicht zu, und sie ging aus dem Saale. Nun näherte sich Witiko. Als er vor Lubomir stand, sagte dieser: »Was begehrest du, mein Sohn?«
    »Mein Begehren ist nur«, antwortete Witiko, »daß Ihr erlaubt, daß ich Euch sehe, und daß ich Euch danke, weil Ihr einmal für mich gesprochen habt.«
    »So komme in mein Empfangsgemach«, entgegnete Lubomir.
    Er stand auf, und ging gegen eine Tür. Witiko folgte ihm. Lubomir öffnete die Tür, und führte Witiko über eine steinerne Treppe empor. Sie kamen in einen großen Vorsaal mit dunkelgrauen Wänden, in welchem mehrere Bewaffnete waren. Lubomir sagte: »Gehe hinunter, Slawa, und halte im Steinsaale Wache, wenn etwa noch jemand vor Sonnenuntergange mit mir sprechen will.«
    Einer der Bewaffneten entfernte sich über die Treppe hinab.
    Lubomir führte Witiko nun in ein zweites Vorgemach, welches aber viel kleiner war als der Saal. In demselben befanden sich drei unbewaffnete Männer. Lubomir sagte zu einem: »Radim, bringe Empfangswein und Kuchen.«
    Der Mann entfernte sich, und Lubomir und Witiko traten aus dem Vorgemache in eine große Stube. Dieselbe war eine Eckstube, und hatte an jeder der Außenseiten vier Fenster. Sie war ganz mit Ulmenholz getäfelt, und hatte eine Decke, die aus Ulmenholz geschnitzt war. Der Fußboden war mit einer Hülle von Rehfellen überzogen. In der Stube standen drei große Tische aus Ulmenholz und viele Stühle aus demselben Holze. Über der Tür und über jedem Fenster war ein erlesenes Hirschgeweih. An den Wänden hin und in die Vertiefungen der Fenster hinein lief eine Bank ebenfalls aus Ulmenholz. Nur an vier Stellen war die Bank unterbrochen, und an diesen Stellen standen auf hohen Unterständern vier große menschliche Gestalten, die aus Eichenholz geschnitzt waren.
    Als die Männer die Mitte der Stube erreicht hatten, blieb Lubomir stehen, und sagte: »Sei mir willkommen, Witiko, wofür willst du mir danken?«
    »Ihr kennt mich?« fragte Witiko.
    »Du bist mit mir an dem Sterbebette des gütigen Herzoges Sobeslaw gewesen«, erwiderte Lubomir, »und bist für ihn in eine Sendung gegangen, welche dir übel hätte werden können.«
    »Es rührt mich im Herzen, daß Ihr an dem Sterbebette Sobeslaws gestanden seid«, sagte Witiko, »und zu danken bin ich hier, daß Ihr in dem großen Saale des Wysehrad für mich gesprochen habt.«
    »Ich habe nicht für dich gesprochen«, antwortete Lubomir, »sondern für die Sache. Aber es hat mir sehr wohlgefallen, was du getan hast, und es freut mich, daß du zu danken gekommen bist. Du siehst, wir sind hier von dem umgeben, was ein Land bieten kann, das an den großen Wald grenzt: Holz von seinen Bäumen und

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