Werke
Gestalt über den Rahmen hangen sah; – du liebe, arme Blume, man hat einen finstern Topf über deine Herzblätter gestürzt, daß du nichts weißt von Luft und Sonne; – wenn du statt dessen diese Zeit durch in die Strahlen gestellt wurdest, die aus so vielen großen Herzen der Vergangenheit auf uns herüberleuchten: wie würdest du daran deine Blüte entfalten können! – wenn du statt dessen in den Hauch Gottes gestellt würdest, der von Bergen zu Bergen weht: wie würdest du die großen, frischen Blätter deiner Seele auftun und froh erstaunen über die Schönheit der Welt!
Freilich sagen die Guten: »Aber es freut uns, solches zu bilden und dann unserer Hände Arbeit in der lieben Wohnung zu erblicken und uns zu freuen, wenn sie dem Geräte zur Zierde dient, und uns an den Werken einstens in die schöne Jugendzeit zurückzuzählen.«
»Ihr Lieben, Holden!« sag ich dagegen – »ja, bildet nur, aber gleich noch etwas Schöneres, wenn ihr schon den Bildungstrieb habt – etwas, das noch dazu leichter ist; – lernet, daß es ein Schaffen gibt, ein Erschaffen des eignen Herzens, Bildung dieses schönen Kunststückes, Ansammlung und Eigenmachung der größten Gedanken, welche erhabene Sterbliche vor uns gedacht haben und uns als teures Erbstück hinterließen; ja lernet, daß ihr leicht in der wahren Kunst etwas zu machen verstehen werdet, was aus der freien Seele quillt, nicht als Aftertrieb eines fremden Stammes, und woran ihr, als an einer viel schönern Blumenkette, in eure Jugend zurückgehen könnet Wenn ihr mir aber vorhalten könntet, es freue euch nun einmal so und nicht anders, und die Freude sei der Zweck: dann widerlege ich euch nicht mehr; denn es muß Leute geben, die an derlei Freude haben, weil sie eine höhere nicht haben können, und ich erinnere mich, einmal mit Rührung einer geistesschwachen Frau zugesehen zu haben, wie es ihr innige Freude machte, viele blaue und grüne Steine auf den Tisch zu zählen, und von ihm auf die Bank und wieder auf den Tisch und so weiter.«
Dann haben sie ein anderes Zauberwort, mit dem sie sich tragen und alles abfertigen: die Häuslichkeit. Diese Häuslichkeit aber ist ein Hinfristen an Bändern und Kram, ein Ordnen der Hausbälle und Tafeln und Gesellschaften, und ein unnötiger Prunk an Kleidern und Gerätstücken. Freilich hat da eine Frau samt der ihr beigegebenen Dienerschaft genug zu tun. Wenn aber Häuslichkeit nur heißt: Wohnung, Kleider, Speise in ordentlichem Stande zu erhalten, so mag sie allerdings ein Teil und zwar ein kleiner Teil des weiblichen Berufes sein, der aber so leicht zu erfüllen ist, daß zu dem größern und höhern noch Zeit genug übrig bleibt, da ohnehin in diesen Dingen Mutter Natur die größte Einfachheit vorgeschrieben hat und die Abweichung durch Krankheiten aller Art bestraft. Diese letzte Häuslichkeit hat Angela in hohem Grade; denn sie ist immer, obgleich einfach, doch bis zum Eigensinne rein und edel gekleidet, und zu Hause, wo sie die Oberleitung fahrt, soll es immer aussehen wie in einer Kapelle. Einen andern schönen Teil der Weiberpflicht aber erfüllt sie, wie wenige ihrer Schwestern: Bildung des künftigen Mutterherzens, von dem man nicht wissen kann, ob nicht ein Sokrates, Epaminondas, Gracchus als wehrloser Säugling an demselben liegt und die ersten Geisterflammen von ihm fordert und fordern darf. Wie nun, wenn sie der Sendung nicht gewachsen wäre, und den Geistesriesen zu einem Nero und Octavianus verkommen ließe? Und der erste Druck in das weiche Herz gibt ihm meist seine Gestalt für Leben lang.
Endlich selbst Vorbereitung und Erfüllung der Mutterpflicht schließt nicht den Kreis des Weibes. Ist es nicht auch um sein selbst willen da? Stehen ihm nicht Geister- und Körperreich offen? Soll es nicht, wie der Mann, nur in der Weise anders, durch ein schönes Dasein seinen Schöpfer verherrlichen? – Endlich, hat es nicht einen Gatten zu beglücken, und darf es ihm statt des schönen Herzens eine Wirtschaftsfertigkeit zubringen, die geistig genug zu sein glaubt, wenn sie nur unschuldig ist? Das ist der Knecht, der sein Talent in das Schweißtuch vergraben hat.
O Titus! Angela hat mir die Augen geöffnet über Wert und Bedeutung des Weibes. – Ich schaudere, welche Fülle von Seelenblüte taub bleibt; wenn die Besterzogenen dastehen, nichts in der Hand als den dürren Stengel der Wirtschaftlichkeit und das leere, schneeweiße Blatt der angebornen Unschuld, auf das, wenn nicht mehr das Mutterauge darauf
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