Werke
Geist in die ersten Hallen der Wissenschaft führte und ihr die Bilder dieses Isistempels deutete. Darum ist ihr die Wissenschaft Schmuck des Herzens geworden, und das ist die größte und schönste Macht derselben, daß sie den Menschen mit einer heiligenden Hand berührt und ihn als einen des hohen Adels der Menschheit aus ihrer Schule läßt – freilich, bei andern bleibt es dürr liegen, wie die glänzenden Dinge, die ein Rabe in sein Nest trägt, und auf denen er dann blödsinnig sitzt.
Die Sprachen lernte sie in der Kindheit – die Wissenschaften von ihrem zwölften bis in das zweiundzwanzigste Jahr (so alt ist sie jetzt) und von da noch immer fort; was Dichtung ist, trieb und treibt sie ihr ganzes Leben. Du wirst wohl nicht fragen, wo sie die Zeit hernimmt, da Du es selber warst, der mir Verschwender zuerst dieses kostbare Gut zeigte, wie zum Erstaunen ergiebig es sei, wenn man es richtig einteilt und kein Teilchen desselben töricht wegwirft. Doch wirst Du begreifen, wie viel Zeit sie hatte, wenn ich Dir aus Luciens Munde berichte, daß sie eine Menge nicht kann und nicht lernte, was nicht zu können jedes Mädchen Wiens für eine Schande halten würde. Zum Beispiel: Stricken. Es war mir ein Jubel, als ich das hörte. O, dieser ewige Strickstrumpf, an dem unsere Jungfrauen nagen – es gibt nichts Öderes und Geistloseres als das unendliche Fortbohren und das Zuschauen eines unglücklichen Mannes. Wohl wird es zuletzt zur Gewohnheit, und sie können so schön und frei denken, ob sie stricken oder nicht – aber es ist nicht wahr; denn welche kostbare Zeit verlernten sie an dem Ding, und verlernten dabei das schöne, freie Denken mit, welches Denken übrigens bei jeder fortgesetzten einförmigen Körperbewegung immer etwas von dem Wesen dieser Bewegung annimmt. Ersparnis ist es in den meisten Familien auch nicht; denn sonst müßten sie sich folgerechter Weise auch die Schuhe machen und noch andere teurere Sachen – aber wo Ersparung not tat, hätten die Töchter etwas Besseres lernen können, um sich damit Strümpfe genug und all die teuern Sachen obendrein zu verdienen. Bei ihrer sehr einfachen Art, sich zu kleiden, erspart Angela mehr, als sie für Strümpfe wird ausgeben müssen. Es ist Unglück genug, daß bei dem Unsinne des Verschwendens, der sich der Welt bemächtigte, ohnehin ein so großer Teil der Menschen verdammt ist zur lebenslangen Arbeit des Körpers, daß er kaum Zeit hat, zum Himmel zu schauen, wie er so schön blau ist. Dazu hat uns Gott nicht gemacht, und Jahrtausende werden vergehen, bis wir natürlicher, das heißt geistig reicher und körperlich einfacher werden.
Ferner das Sticken, von dem ihr Lehrer sagte, es sei die sündenvollste Zeitverschwendung; denn das endlich fertige Ding sei kein Kunstwerk; ist es schön, so ist das Vorbild schuld, nicht die Nachmacherin; meist aber bleibt es hinter dem mittelmäßigsten Gemälde zurück, und kann solches auch seiner Verfertigung zufolge nicht erreichen, kostet aber so viel Zeit und Mühe, daß man mit derselben ein wahrer Künstler in Farben werden könnte – ferner als Geräte dient die Stickerei nicht, da zu viel Zeit und Geld daran haftet, als daß man sie sofort ohne Umstände gebrauchen könne, da man Polster, Teppiche usw. sehr geschmackvoll haben kann, und um weit geringere Mühe und Preise. Das Machen – und dies ist das Traurigste – gewährt auch nicht das geringste Ersprießliche; denn man denke, wie viel schöne Gedanken und Empfindungen könnten in der Zeit durch das Herz der Jungfrau gehen und ihr geläufig werden, während sie zusammengebeugt und eingeknickt die mechanische Arbeit verrichtet und in den gefärbten Wollknäueln wirtschaftet. Ja, dieses langsame, tote Nachstechen von Form in Form verödet das Herz, und der Geist wird dumpf und leer. Die Nachwelt wird einmal staunen, daß die Töchter der ausgezeichnetsten Geschlechter drei Vierteile ihrer Jugend auf so geistloses Tun verwenden konnten, wodurch ein Zwitterding von Kunstwerk und Prunkstock zu Stande kommt, daran das Verdienst eine Million Stiche war.
Dann welcher Nachteil für die Gesundheit, wenn der blühende, drängende, treibende Jugendkörper zusammengeknickt wird und in einer Stellung stundenlang verharrt, die ihm unnatürlich ist, und im Eifer der Arbeit noch unnatürlicher gemacht wird durch vermehrtes Bücken, durch das Andrucken des Rahmens an die Brust, und dergleichen.
Wirklich, Titus, dachte ich auch oft, wenn ich so eine holde, aufknospende
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