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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gespenstig, und ich war erleichtert, als endlich gegen Abend in der Dunkelheit ein leichter, kühler Hauch an mein Gesicht wehte und sich zwei Blätter an einem Schlehenstrauche neben mir rührten, aber ohne zu flüstern. Ich ging spät in das Haus zurück. Sie hatten schon zu Abend gegessen und mich und den Engländer vergeblich erwartet. Gleich nach uns sind noch zwei Fremde gekommen, und diese und die andern sind alle auf den See hinaus. Den Engländer glaubte man bei mir. Ich ging auch wieder fort, und als ich gegen den See kam, konnte ich sie nicht erblicken, weil es schon zu sehr dämmerte. Ich stieß einem Jäger auf, der mir sagte, er warte auf den Vollmondsaufgang. Ich wollte nun dasselbe tun und legte mich zu ihm ins Gras, und ließ mir von ihm erzählen, und wie sich seine Gebirgsmärchen, gleich Zitherklängen, entwickelten, schaute ich träumend in die phantastische Dunkelheit, in der die Gebirge hingen, in immer stillere und größere Massen schmelzend, und auf den See, der stets starrer und schwärzer ward und nur hie und da mit einem schwachen, ungewissen Lichtchen aufzuckte. Und immer tiefer sank Berg und Tal und See in die dunkle, schlummerige Luft vor mir zurück – eine unsägliche Wehmut war in meinem Herzen – der Jäger schwieg endlich auch, und ich hörte jetzt deutlich Lothar und des Doktors schöne Stimme von dem See her gedämpft singen – dann einen Pistolenschuß und dasdarauf folgende Gewitter des Echo, das die Berge und den See im Finstern durcheinanderwühlte, und in Kreisen rollte und sich mäßigte und beschwichtigte und ausmurmelte; sein Verzittern machte mir die Landschaft nur noch unbeweglicher, wie einen schwarzen Klumpen, der in zackiger Linie den silbergrauen Himmel abschnitt. »Seht einmal auf den Röllberg«, sagte mein Nachbar, und zeigte mit dem Finger in die Nacht hinaus. Ein lichter Schein stand unten an dem bezeichneten Berge – die Mondesaurora war es; ich glaubte, er selber werde jetzt aufsteigen; aber nur der Schein klomm längs der steilen Kante des Felsens, der ordentlich schwarz gegen diesen Schimmer stand, bis der Mond endlich gerade auf dem Gipfel des Steines wie ein großes Freudenfeuer emporschlug zu dem Himmel, an dem schon alle Sterne harrten. Er trennte sich sodann und schwamm wie eine losgebundene blitzende, weißglühende Silberkugel in den dunkeln Äther empor – und alles war hier unten wieder hell und klar. – Die Berge standen wieder alle da und troffen von dem weißen niederrinnenden Lichte, das Wasser trennte sich und wimmelte von Silberblicken, ein Lichtregen ging in den ganzen Bergkessel nieder, und jedes feuchte Steinchen und jedes tauige Gräschen hatte seinen Funken. Auch das Schiff der Freunde erblickte ich jetzt, und ein vierstimmiger Männerhymnus begann darauf, und der Gesang wogte gedämpft,ein Echo schleifend, von dem See herüber, und zog sich dann ferner und verklang – dann ein mattes Jauchzen – das Rollen ferner Pistolenschüsse, und dann wieder die Mondesstille.
    Ihr Auge, dieser schöne Mond ihrer Herzenssonne – wo mag dieses nun aufblicken zu seinem Schwestergestirne des Himmels? O, ihr schönen Felsen und du, schimmerndes Firmament! Was ist zwischen heute und jenem Abende vor zwölf Jahren, als ich das erste Mal an diesem Ufer stand, ein unschuldiger Jüngling voll ungebändigter Hoffnungen und ein unerschöpfliches Weltmeer von Vertrauen in dem Herzen! – – Wie viel hat sich seitdem geändert – wie viel habe ich geirrt, gesündigt und gebüßt, und wie scharf einsam bin ich heute gegen das Wogen und Wallen von Gestalten, die mich damals umgaben! Aber ein Rest ist geblieben, ein Boden, auf dem die Blumenphantasie gestanden: die feste, schönheitsliebende Seele ist geblieben – und manch schönerer Blumenwald kann einst wieder daraus emporsprossen – er kann ja noch sprossen!
    »Geht schlafen, lieber Herr«, sagte plötzlich der Jäger zu mir: »Ihr habt morgen einen weiten Weg, und es wird heiter und heiß sein – ich verlasse Euch, da mir der Mond schon hoch genug ist.«
    Ich schlafen gehen? Dazu war ich viel zu bewegt. Ich ging den See entlang, von dem jetzt Ruderschläge herkamen, und bald darauf das Schiff der Freunde. Isidor sprang heraus und jubelte und sagte, es sei eine Götternacht, und der Doktor bedauerte mich, daß ich nicht mit zu Schiffe gewesen; an diesem einen der zwei angekommenen Fremden habe er einen wahren Fund getan; er singe einen unvergleichlichen Tenor; der sei noch immer abgegangen;

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