Werke
mir einen Strauch, auf dem bald Blüten hervor kommen würden, oder eine sonnige Stelle, auf der das erste Grün erschien, oder Steine, um die schon verfrühte Tierchen spielten.
Eines Tages entdeckte ich in den Schreinen der Natursammlung eine Zusammenstellung aller inländischen Hölzer. Sie waren in lauter Würfeln aufgestellt, von denen zwei Flächen quer gegen die Fasern, die übrigen vier nach den Fasern geschnitten waren. Von diesen vier Flächen war eine rauh, die zweite glatt, die dritte poliert, und die vierte hatte die Rinde. Im Innern der Würfel, welche hohl waren und geöffnet werden konnten, befanden sich die getrockneten Blüten, die Fruchtteile, die Blätter und andere merkwürdige Zugehöre der Pflanze, zum Beispiel gar die Moose, die auf gewissen Orten gewöhnlich wachsen. Eustach sagte mir, der alte Herr – so nannten alle Bewohner des Hauses meinen Gastfreund, nur Gustav nannte ihn Ziehvater – habe diese Sammlung angelegt und die Anordnung so ausgedacht. Sie soll nach dem Willen des alten Herrn noch einmal gemacht und der Gewerbschule zum Geschenke gegeben werden.
Seine seltsame Kleidung und seine Gewohnheit, immer barhäuptig zu gehen, welch beides mir anfangs sehr aufgefallen war, beirrte mich endlich gar nicht mehr, ja es stimmte eigentlich zu der Umgebung sowohl seiner Zimmer als der um ihn herum wohnenden Bevölkerung, von der er sich nicht als etwas Vornehmes abhob, der er viel mehr gleich war, und von der er sich doch wieder als etwas Selbstständiges unterschied. Mir fiel im Gegenteile ein, daß manches nicht geschmackvoll sei, was wir so heißen, am wenigsten der Stadtrock und der Stadthut der Männer.
In die Zimmer, welche nach Frauenart eingerichtet waren, wurde ich einmal auf meine Bitte geführt. Sie gefielen mir wieder sehr, besonders das letzte, kleine, welchem ich jetzt den Namen ›die Rose‹ gab. Man konnte in ihm sitzen, sinnen und durch das liebliche Fenster auf die Landschaft blicken. Daß ich nicht um den Gebrauch dieser Zimmer fragte, begreift sich.
Ich erzählte meinem Gastfreunde oft von meinem Vater, von der Mutter und von der Schwester. Ich erzählte ihm von allen unsern häuslichen Verhältnissen, und beschrieb ihm mehrfach, so genau ich es konnte, die Dinge, die mein Vater in seinen Zimmern hatte, und auf welche er einen Wert legte. Meinen Namen nannte ich hiebei nicht, und er fragte auch nicht darnach.
Ebenso wußte ich, obwohl ich nun länger in seinem Hause gewesen war, noch immer seinen Namen nicht. Zufällig ist er nicht genannt worden, und da er ihn nicht selber sagte, so wollte ich aus Grundsatz niemanden darum fragen. Von Gustav oder Eustach wäre er am leichtesten zu erfahren gewesen; aber diese zwei mochte ich am wenigsten fragen, am allerwenigsten Gustav, wenn er unzählige Male unbefangen den Namen Ziehvater aussprach. Der Mann war sehr gut, sehr lieb und sehr freundlich gegen mich, er nannte seinen Namen nicht, ich konnte auch nicht mit Gewißheit voraussetzen, daß er meine, ich kenne denselben; daher beschloß ich, gar nicht, selbst nicht in der größten Entfernung von diesem Orte, um den Namen des Besitzers des Rosenhauses zu fragen.
Nach und nach änderte sich die Zeit immer mehr und immer gewaltiger. Die Tage waren viel länger geworden, die Sonne schien schon sehr warm, die Fristen, in denen der Himmel sich klar und wolkenlos zeigte, wurden bereits länger als die, in denen er umwölkt oder neblich war, die Erde sproßte, die Bäume knospten, an den Rosenbäumchen vor dem Hause wurde sehr fleißig gearbeitet, alles war heiter, und der Frühling war in seiner ganzen Fülle eingetreten. Diese Zeit war schon lange als diejenige bestimmt gewesen, in welcher ich abreisen würde. Ich sagte dieses noch einmal meinem Gastfreunde, und da ich Anstalten getroffen hatte, meinen Koffer fort zu senden, wurde der Tag der Abreise festgesetzt.
Wir hatten früher noch die Verabredung getroffen, daß ich meine Arbeiten so einrichten wolle, daß ich zur Zeit der Rosenblüte wiederkommen und wieder längere Zeit in dem Hause verbleiben könne. Da ich sah, daß ich gerne aufgenommen werde, und daß ich in Hinsicht der äußeren Mittel keine Last in dem Hause sei, und da mein Gemüt sich auch diesem Orte zugeneigt fühlte, so war mir diese Verabredung ganz nach meinem Sinne. Nur, meinte mein Gastfreund, müßte ich dann in den Gebirgstälern schon zur Herreise aufbrechen, wenn dort kaum die Rosen völlige Knospen hätten, weil sie hier der bessern Erde und der
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