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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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einfach und klar, daß ich meinte, ein Kind müsse diese Dinge verstehen können. Mir fiel es jetzt erst recht auf, wie ungehörig manche Lehrer in der Stadt in dieser Wissenschaft verfahren, welche sie gewissermaßen in eine wissenschaftliche Necksprache kleiden, die ein Schüler nicht versteht, und mit welcher sie die Mathematik so in eins verflechten, daß beide beides nicht sind und ein Ganzes auch nicht darstellen. Ich sah, daß Gustav auch die Rechnung auf die Naturlehre anwandte, aber wo er es tat, erkannte ich, daß er es stets mit Sachkenntnis und Klarheit tat, und daß er immer die Rechnung nicht als Hauptsache, sondern hier als Dienerin der Natur betrachtete. Ich urteilte aus meinen eigenen früheren Arbeiten, daß er auch in diesem Fache einen gründlichen Unterricht erhalten haben mußte. Ich fragte ihn einmal darnach, und erfuhr, daß auch hierin sein Ziehvater sein Lehrer gewesen sei.
    Ich besuchte später auch den Unterricht in der Länderkunde. Hier fiel mir auf, daß gezeichnete Karten gebraucht wurden, welche alle den nämlichen Maßstab hatten, so daß Rußland in einer außerordentlich großen, die Schweiz in einer sehr kleinen Karte dargestellt war. Mir leuchtete der Zweck dieser Maßregel ein, damit nämlich bei der lebhaften jugendlichen Einbildungskraft ein Bild der Größenverhältnisse dauernd eingeprägt werde. Ich erinnerte mich bei dieser Gelegenheit einer Wette, die wir Kinder um eine Kleinigkeit über die Frage abgeschlossen hatten, ob Philadelphia nicht beinahe so südlich wie Rom liege, was die meisten mit Lachen verneinten. Eine herbeigebrachte Karte zeigte, daß es südlicher als Neapel liege. Allgemein sagten damals auch die großen Leute, die zugegen waren, daß bei Kindern dieser Irrtum durch die Raumverhältnisse, in denen unsere gewöhnlichen Karten gezeichnet seien, veranlaßt werden mußte. Die Karten, welche Gustav gebrauchte, waren von dem Zeichner im Schreinerhause nach Karten unserer sogenannten Atlasse verfertiget worden.
    Ich fragte meinen Gastfreund, ob Gustav auch Geschichte lerne, worauf er erwiderte: »Man nimmt sehr häufig mit jungen Schülern gleich zur Erdbeschreibung auch Geschichte vor; ich glaube aber, daß man hierin unrecht tut. Wenn man in der Erdbeschreibung nicht bloß die geschichtliche Einteilung der Erde und Länder vor Augen hat, was ich auch für einen Fehler halte, sondern wenn man auf die bleibenden Gestaltungen der Erde sieht, auf denen sich eben durch ihren Einfluß verschiedenartige Völker gebildet haben, so ist die Erde ein Naturgegenstand, und Erdbeschreibung zum großen Teile ein Bestandteil der Naturwissenschaft. Die Naturwissenschaften sind uns aber viel greifbarer als die Wissenschaften der Menschen, wenn ich ja Natur und Menschen gegenüber stellen soll, weil man die Gegenstände der Natur außer sich hinstellen und betrachten kann, die Gegenstände der Menschheit aber uns durch uns selber verhüllt sind. Man sollte meinen, daß das Gegenteil statthaben solle, daß man sich selber besser als Fremdes kennen solle, viele glauben es auch; aber es ist nicht so. Tatsachen der Menschheit, ja Tatsachen unseres eigenen Innernwerden uns, wie ich schon einmal gesagt habe, durch Leidenschaft und Eigensucht verborgen gehalten oder mindestens getrübt. Glaubt nicht der größte Teil, daß der Mensch die Krone der Schöpfung, daß er besser als alles, selbst das Unerforschte sei? Und meinen die, welche aus ihrem Ich nicht heraus zu schreiten vermögen, nicht, daß das All nur der Schauplatz dieses Ichs sei, selbst die unzähligen Welten des ewigen Raumes dazu gerechnet? Und dennoch dürfte es ganz anders sein. Ich glaube daher, daß Gustav erst nach Erlernung der Naturwissenschaften zu den Wissenschaften des Menschen übergehen soll, und daß er da ungefähr die Reihe beobachten soll: Körperlehre, Seelenlehre, Denklehre, Sittenlehre, Rechtslehre, Geschichte. Hierauf mag er etwas von den Büchern der sogenannten Weltweisheit lesen, dann aber muß er in das Leben selber hinaus kommen.«
    Zum Unterrichte für Gustav waren gewisse Stunden festgesetzt, welche der alte Mann nie versäumte, andere Stunden waren für die Selbstarbeit bestimmt, welche Gustav wieder gewissenhaft hielt. Die übrige Zeit war zu freier Beschäftigung überlassen.
    In solchen Zeiten waren wir manches Mal in dem Lesezimmer. Mein Gastfreund kam auch öfter, und gelegentlich auch Eustach oder der eine und der andere Arbeiter. Für Gustav waren nach der Wahl seines Lehrers die

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