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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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gehört zu werden?
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III. Der Geist des Salomo
    Ein ehrlicher Greis trug des Tages Last und Hitze, sein Feld mit eigner Hand zu pflügen, und mit eigner Hand den reinen Samen in den lockern Schoß der willigen Erde zu streuen.
    Auf einmal stand unter dem breiten Schatten einer Linde, eine göttliche Erscheinung vor ihm da! Der Greis stutzte.
    Ich bin Salomo: sagte mit vertraulicher Stimme das Phantom. Was machst du hier, Alter?
    Wenn du Salomo bist, versetzte der Alte, wie kannst du fragen? Du schicktest mich in meiner Jugend zu der Ameise; ich sahe ihren Wandel, und lernte von ihr fleißig sein, und sammeln. Was ich da lernte, das tue ich noch.
    Du hast deine Lektion nur halb gelernet: versetzte der Geist. Geh noch einmal hin zur Ameise, und lerne nun auch von ihr in dem Winter deiner Jahre ruhen, und des Gesammelten genießen.
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IV. Das Geschenk der Feien
    Zu der Wiege eines jungen Prinzen, der in der Folge einer der größten Regenten seines Landes ward, traten zwei wohltätige Feien.
    Ich schenke diesem meinem Lieblinge, sagte die eine, den scharfsichtigen Blick des Adlers, dem in seinem weiten Reiche auch die kleinste Mücke nicht entgeht.
    Das Geschenk ist schön: unterbrach sie die zweite Feie. Der Prinz wird ein einsichtsvoller Monarch werden. Aber der Adler besitzt nicht allein Scharfsichtigkeit, die kleinsten Mücken zu bemerken; er besitzt auch eine edle Verachtung, ihnen nicht nachzujagen. Und diese nehme der Prinz von mir zum Geschenk!
    Ich danke dir, Schwester, für diese weise Einschränkung: versetzte die erste Feie. Es ist wahr; viele würden weit größere Könige gewesen sein, wenn sie sich weniger mit ihrem durchdringenden Verstande bis zu den kleinsten Angelegenheiten hätten erniedrigen wollen.
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V. Das Schaf und die Schwalbe
    Η χελιδων – επι τα νωτα των προβατων ιζανει, και αποσπα του μαλλου, και εντευϑεν τοις έαυτης βρεφεσι το λεχος μαλακον εστρωσεν Aelianus lib. III. c. 24
    Eine Schwalbe flog auf ein Schaf, ihm ein wenig Wolle, für ihr Nest, auszurupfen. Das Schaf sprang unwillig hin und wider. Wie bist du denn nur gegen mich so karg? sagte die Schwalbe. Dem Hirten erlaubst du, daß er dich deiner Wolle über und über entblößen darf; und mir verweigerst du eine kleine Flocke. Woher kömmt das?
    Das kömmt daher, antwortete das Schaf, weil du mir meine Wolle nicht mit eben so guter Art zu nehmen weißt, als der Hirte.
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VI. Der Rabe
    Der Rabe bemerkte, daß der Adler ganze dreißig Tage über seinen Eiern brütete. Und daher kömmt es, ohne Zweifel, sprach er, daß die Jungen des Adlers so allsehend und stark werden. Gut! das will ich auch tun.
    Und seitdem brütet der Rabe wirklich ganze dreißig Tage über seinen Eiern; aber noch hat er nichts, als elende Raben ausgebrütet.
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Der Rangstreit der Tiere
    in vier Fabeln
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VII. (1)
    Es entstand ein hitziger Rangstreit unter den Tieren. Ihn zu schlichten, sprach das Pferd, lasset uns den Menschen zu Rate ziehen; er ist keiner von den streitenden Teilen, und kann desto unparteiischer sein.
    Aber hat er auch den Verstand dazu? ließ sich ein Maulwurf hören. Er braucht wirklich den allerfeinsten, unsere oft tief versteckte Vollkommenheiten zu erkennen.
    Das war sehr weislich erinnert! sprach der Hamster.
    Ja wohl! rief auch der Igel. Ich glaube es nimmermehr, daß der Mensch Scharfsichtigkeit genug besitzet.
    Schweigt ihr! befahl das Pferd. Wir wissen es schon: Wer sich auf die Güte seiner Sache am wenigsten zu verlassen hat, ist immer am fertigsten, die Einsicht seines Richters in Zweifel zu ziehen.
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VIII. (2)
    Der Mensch ward Richter. – Noch ein Wort, rief ihm der majestätische Löwe zu, bevor du den Ausspruch tust! Nach welcher Regel, Mensch, willst du unsern Wert bestimmen?
    Nach welcher Regel? Nach dem Grade, ohne Zweifel, antwortete der Mensch, in welchem ihr mir mehr oder weniger nützlich seid. –
    Vortrefflich! versetzte der beleidigte Löwe. Wie weit würde ich alsdenn unter dem Esel zu stehen kommen! Du kannst unser Richter nicht sein, Mensch! Verlaß die Versammlung!
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IX. (3)
    Der Mensch entfernte sich. – Nun, sprach der höhnische Maulwurf, – (und ihm stimmte der Hamster und der Igel wieder bei) – siehst du, Pferd? der Löwe meint es auch, daß der Mensch unser Richter nicht sein kann. Der Löwe denkt, wie wir.
    Aber aus bessern Gründen, als ihr! sagte der

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