Werke
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Das hast du getan Corysia? Zu gefällige Corysia! o brich dein Wort, wenn dir dein Schäfer lieb ist –
Umsonst sie fanden sich im Haine! Und o der unzählichen Zahl von Küssen! Jeden Ton der Nachtigall begleitete ein Kuß. Mich jammert der Stab –
Gesättigt trennt sich mein Paar – – Morgen, sind wir doch wieder hier? sagte das Mädchen – und der Hirte ging und warf sich auf sein Lager von Fellen – – Er schläft, er erwacht. – Und was wird das erste sein, als seinen Stab zu kerben? – – Doch er sahe die Unmöglichkeit, sie alle zu merken – und diese Unmöglichkeit, alle Küsse zu behalten, verwundete sie – Daphnis sprach kaltsinnig, Schade, daß ich den schönen Stab so verdorben, ich will ihn nicht weiter verderben –
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Der Naturalist
Ein Mann, der das Namenregister der Natur vollkommen inne hatte, jede Pflanze, und jedes dieser Pflanze eigenes Insekt zu nennen, und auf mehr als eine Art zu nennen wußte; der den ganzen Tag Steine auflas, Schmetterlingen nachlief, und seine Beute mit einer recht gelehrten Unempfindlichkeit spießte; so ein Mann, ein Naturalist – – (sie hören es gern, wenn man sie Naturforscher nennt) durchjagte den Wald, und verweilte sich endlich bei einem Ameisehaufen. Er fing an darin zu wühlen, durchsuchte ihren eingesammelten Vorrat, betrachtete ihre Eier, deren er einige unter seine Mikroskope legte, und richtete, mit einem Worte, in diesem Staate der Emsigkeit und Vorsicht, keine geringe Verwüstung an.
Unterdessen wagte es eine Ameise, ihn anzureden. Bist du nicht etwa gar, sprach sie, einer von den Faulen, die Salomo zu uns schickt, daß sie unsre Weise sehen, und von uns Fleiß und Arbeit lernen sollen?
Die alberne Ameise; einen Naturalisten für einen Faulen anzusehen.
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Der Wolf und das Schaf
Der Durst trieb ein Schaf an den Fluß; eine gleiche Ursache führte auf der andern Seite einen Wolf herzu. Durch die Drennung des Wassers gesichert und durch die Sicherheit höhnisch gemacht, rief das Schaf dem Räuber hinüber: »ich mache dir doch das Wasser nicht trübe, Herr Wolf? Sieh mich recht an; habe ich dir nicht etwa vor sechs Wochen nachgeschimpft? Wenigstens wird es mein Vater gewesen sein.« Der Wolf verstand die Spötterei; er betrachtete die Breite des Flusses und knirschte mit den Zähnen. Es ist dein Glück, antwortete er, daß wir Wölfe gewohnt sind, mit euch Schafen Geduld zu haben; und ging mit stolzen Schritten weiter.
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[Nachahmung der 158. Fabel des Aesop]
Ich bin zu einer unglücklichen Stunde geboren! so klagte ein junger Fuchs einem alten. Fast keiner von meinen Anschlägen will mir gelingen. – Deine Anschläge, sagte der ältere Fuchs, werden ohne Zweifel danach sein. Laß doch hören; wenn machst du deine Anschläge? – Wenn ich sie mache? Wenn anders, als wenn mich hungert – – Wenn dich hungert? fuhr der alte Fuchs fort. Ja, da haben wir es! Hunger und Überlegung sind nie beisammen. Mache sie künftig wenn du satt bist, und sie werden besser ausfallen.
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Dramen
Gotthold Ephraim Lessing
Damon, oder
Die wahre Freundschaft
Ein Lustspiel in einem Aufzuge
Ermunterungen zum Vergnügen des Gemüts (Hamburg), Bd. 1, 1747.
damon
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Der erste Auftritt
Der zweite Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Letzter Auftritt
Personen
Die
Witwe
Leander
Damon
Oronte
Lisette
Der erste Auftritt
Die Witwe. Lisette.
Lisette
. Nun, das ist wahr, unser Haus hat sich in kurzem recht sehr geändert. Noch vor acht Tagen war es ein belebter Sammelplatz von unzähligen jungen Herren und verliebten Narren. Alle Tage haben sich ihrer ein Paar verloren. Heute blieben die weg; morgen folgten ein Paar andre nach, und übermorgen desgleichen. Gott sei Dank! zwei sind noch übrig geblieben. Wenn die sich auch abfinden sollten: so wird unser Haus zur Einöde. Madame – – – Madame!
Die Witwe
. Nun, was ist es?
Lisette
. Alsdann bleibe ich gewiß auch nicht länger bei Ihnen; so gut ich es auch hier habe. Gesellschaft ist das halbe Leben!
Die Witwe
. Du hättest dich also besser in einen Gasthof, als in meine Dienste, geschickt?
Lisette
. Ja. In einem Gasthofe geht es doch noch munter zu. Wenn es nicht so viel Arbeit da gäbe, wer weiß, was ich getan hätte. Wenn man einmal, leider! dienen muß, so, dächte ich, ist es wohl am vernünftigsten, man dient da, wo man bei seinem Dienen das größte
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