Werke
welches mit meiner Meinung streiten könnte. Sollte er sie seines Beifalles würdigen, so dürfte ich mich schmeicheln, ein besseres Exempel gegeben zu haben, wie glücklich sich die klassischen Schriftsteller durch die alten Kunstwerke, und diese hinwiederum aus jenen aufklären lassen, als in dem ganzen Folianten des Spence zu finden ist.
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XXIX
Bei der unermeßlichen Belesenheit, bei den ausgebreitesten feinsten Kenntnissen der Kunst, mit welchen sich Herr Winckelmann an sein Werk machte, hat er mit der edeln Zuversicht der alten Artisten gearbeitet, die allen ihren Fleiß auf die Hauptsache verwandten, und was Nebendinge waren, entweder mit einer gleichsam vorsetzlichen Nachlässigkeit behandelten, oder gänzlich der ersten besten fremden Hand überließen.
Es ist kein geringes Lob, nur solche Fehler begangen zu haben, die ein jeder hätte vermeiden können. Sie stoßen bei der ersten flüchtigen Lektüre auf, und wenn man sie anmerken darf, so muß es nur in der Absicht geschehen, um gewisse Leute, welche allein Augen zu haben glauben, zu erinnern, daß sie nicht angemerkt zu werden verdienen.
Schon in seinen Schriften über die Nachahmung der Griechischen Kunstwerke, ist Herr Winckelmann einigemal durch den Junius verführt worden. Junius ist ein sehr verfänglicher Autor; sein ganzes Werk ist ein Cento, und da er immer mit den Worten der Alten reden will, so wendet er nicht selten Stellen aus ihnen auf die Malerei an, die an ihrem Orte von nichts weniger als von der Malerei handeln. Wenn z. E. Herr Winckelmann lehren will, daß sich durch die bloße Nachahmung der Natur das Höchste in der Kunst, eben so wenig wie in der Poesie erreichen lasse, daß sowohl Dichter als Maler lieber das Unmögliche, welches wahrscheinlich ist, als das bloß mögliche wählen müsse: so setzt er hinzu: »die Möglichkeit und Wahrheit, welche Longin von einem Maler im Gegensatze des Unglaublichen bei dem Dichter fodert, kann hiermit sehr wohl bestehen.« Allein dieser Zusatz wäre besser weggeblieben; denn er zeiget die zwei größten Kunstrichter in einem Widerspruche, der ganz ohne Grund ist. Es ist falsch, daß Longin so etwas jemals gesagt hat. Er sagt etwas ähnliches von der Beredsamkeit und Dichtkunst, aber keinesweges von der Dichtkunst und Malerei. Ως δ’ έτερον τι ή ρήτορικη φαντασια βουλεται, και έτερον ή παρα ποιηταις, ουκ αν λαϑοι σε, schreibt er an seinen Terentian; (185) ουδ’ ότι της μεν εν ποιησει τελος εσιν εκπληξις, της δ’ εν λογοις εναργεια. Und wiederum: Ου μην αλλα τα μεν παρα τοις ποιηταις μυϑικωτεραν εχει την ύπερεκπτωσιν, και παντη το πισον ύπεραιρουσαν της δε ρητορικης φαντασιας, καλλισον δει το εμπρακτον και εναληϑες. Nur Junius schiebt, anstatt der Beredsamkeit, die Malerei hier unter; und bei ihm war es, nicht bei dem Longin, wo Herr Winckelmann gelesen hatte: (186) Praesertim cum Poeticae phantasiae finis sit εκπληξις. Pictoriae vero εναργεια. Και τα μεν παρα τοις ποιηταις, ut loquitur idem Longinus, u.s.w. Sehr wohl; Longins Worte, aber nicht Longins Sinn!
Mit folgender Anmerkung muß es ihm eben so gegangen sein: »Alle Handlungen, sagt er, (187) und Stellungen der griechischen Figuren, die mit dem Charakter der Weisheit nicht bezeichnet, sondern gar zu feurig und zu wild waren, verfielen in einen Fehler, den die alten Künstler Parenthyrsus nannten.« Die alten Künstler? Das dürfte nur aus dem Junius zu erweisen sein. Denn Parenthyrsus war ein rhetorisches Kunstwort, und vielleicht, wie die Stelle des Longins zu verstehen zu geben scheinet, auch nur dem einzigen Theodor eigen. (188) Τουτω παρακειται τριτον τι κακιας ειδος εν τοις παϑητικοις, όπερ ό Θεοδωρος παρενϑυρσον εκαλει εσι δε παδος ακαιρον και κενον, ενϑα μη δει παϑους η αμετρον, ενϑα μετριου δει. Ja ich zweifle sogar, ob sich überhaupt dieses Wort in die Malerei übertragen läßt. Denn in der Beredsamkeit und Poesie gibt es ein Pathos, das so hoch getrieben werden kann als möglich, ohne Parenthyrsus zu werden; und nur das höchste Pathos an der unrechten Stelle, ist
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