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Circus

Circus

Titel: Circus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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    K ein echter Colonel könnte echter aussehen als Sie«, sagte Pilgrim. »Fabelhaft, mein lieber Fawcett, wirklich ganz fabelhaft!«
    Pilgrim war der Urenkel eines adligen Mitglieds des Oberhauses im britischen Parlament, und das sah man ihm an. Sowohl seine Kleidung als auch sein Tonfall waren leicht affektiert und eindeutig ›edwardianisch‹. Unwillkürlich suchte man bei ihm ein Monokel und die alte Eton-Krawatte. Seine hervorragend geschnittenen Anzüge stammten aus der Savile Row, seine Hemden von Turnbull und Asser und seine beiden Pistolen, deren Preis von viertausend Dollar er als ausgesprochen niedrig betrachtete, selbstverständlich von Purdeys im Westend. Seine Schuhe waren unpatriotischerweise römische Handarbeit. Er hätte ohne jede Probe die Rolle des Sherlock Holmes spielen können.
    Fawcett reagierte nicht auf Kritik oder Lob, die seine zurückhaltend elegante Kleidung betrafen – seine Gesichtsmuskeln verzogen sich überhaupt kaum jemals, vielleicht deshalb, weil sein faltenloses Gesicht so dick war, daß es aufdringlich an einen Vollmond erinnerte. Er trug stets einen etwas verwirrten Ausdruck zur Schau, und es gab eine große Anzahl von Leuten, die sich mit verständlicher Verbitterung beklagten, daß Fawcett einen so trügerischen Eindruck vermittelte, daß man es schon als unmoralisch bezeichnen konnte.
    Mit halbgeschlossenen Augen, die zwischen den Speckwülsten kaum zu sehen waren, sah Fawcett sich in der Bibliothek um, deren Wände mit Leder bespannt waren, und machte schließlich bei dem knisternden Kaminfeuer halt. Sehnsüchtig sagte er: »Es wäre zu wünschen, daß die Beförderungen beim CIA ebenso spektakulär und schnell vonstatten gingen wie in meinem speziellen Fall.«
    »Ein schöner Traum, mein Junge.« Pilgrim war mindestens fünf Jahre jünger als Fawcett. Sein Blick wanderte zu seinen römischen Schuhen hinunter und ruhte eine Weile wohlgefällig darauf, aber dann wandte Pilgrim seine Aufmerksamkeit der eindrucksvollen Sammlung von Orden zu, die Fawcetts breite Brust schmückte. »Ich sehe, Sie haben sich die Verdienstmedaille verliehen.«
    »Ich fand, sie paßt zu mir.«
    »Ziemlich. Was ist eigentlich mit diesem Genie, das Sie da aufgetrieben haben. Bruno heißt er, nicht wahr?«
    »Ich habe ihn überhaupt nicht aufgetrieben. Das war Smithers. Bei seinem letzten Europa-Aufenthalt. Er ist ein leidenschaftlicher Circusgänger.«
    »Ziemlich.« Pilgrim schien eine Vorliebe für dieses Wort zu haben. »Man sollte annehmen, daß Bruno einen Nachnamen hat.«
    »Wildermann. Aber er benutzt ihn weder beruflich noch privat.«
    »Warum nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe noch nie mit ihm gesprochen. Und Smithers hat ihn wahrscheinlich auch nicht gefragt. Würden Sie die Callas oder Liberace vielleicht nach ihren vollständigen Namen fragen?«
    »Sie nennen diesen Bruno in einem Atemzug mit so bedeutenden Leuten?«
    »Soviel ich weiß, wird er in Circuskreisen als viel bedeutender angesehen als diese bedeutenden Leute.«
    Pilgrim nahm ein paar beschriebene Seiten vom Tisch und warf einen kurzen Blick darauf. »Er spricht die Sprache fließend.«
    »Er ist ja auch dort aufgewachsen.«
    »Und anerkanntermaßen der größte Luftakrobat der Welt.« Pilgrim war nicht leicht aus dem Konzept zu bringen. »Ein waghalsiger junger Mann auf dem fliegenden Trapez? So was in der Art, ja?«
    »Ja, das auch. Aber in erster Linie Hochseilartist.«
    »Der beste der Welt?«
    »Seine Kollegen sind jedenfalls einhellig dieser Meinung.«
    »Wenn Ihre Informationen über seine Arbeitsbedingungen in Crau richtig sind, dann sollte er es schon in seinem eigenen Interesse auch sein. Wie ich sehe, behauptet er von sich, ein Experte in Karate und Judo zu sein.«
    »Er hat niemals etwas Derartiges von sich behauptet. Ich behaupte es von ihm – besser gesagt, Smithers tut es, und wie Sie wissen, ist Smithers seinerseits ein ausgesprochener Experte auf diesen Gebieten. Er beobachtete Bruno heute früh bei einer Übungsstunde im Samurai-Club. Der Lehrer dort hat den schwarzen Gürtel – bei Judo ist das die höchste Auszeichnung. Als Bruno mit ihm fertig war … nun, wenn ich richtig verstanden habe, war der Lehrer sowohl physisch als auch psychisch am Boden zerstört. Smithers sagte, er habe Bruno nicht beim Karate zusehen können, wie er den Leuten Hiebe und Schläge versetzt, und habe auch nicht den Wunsch, es noch nachzuholen.«
    »Und laut seinem Dossier ist er außerdem auch noch ein Mentalist.«

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