Werke
nicht viel mehr einbilden, als Sie; aber da jedoch meine Nation, die Ihre Nation so sehr übersieht« – Weiter darf ich meine Paraphrasis wohl nicht fortsetzen; denn sonst,
Desinit in piscem mulier formosa superne:
aus der Höflichkeit wird Persiflage, (ich brauche dieses französische Wort, weil wir Deutschen von der Sache nichts wissen) und aus der Persiflage, dummer Stolz.
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Zwei und vierzigstes Stück
Den 22sten September, 1767
Es ist nicht zu leugnen, daß ein guter Teil der Fehler, welche Voltaire als Eigentümlichkeiten des italienischen Geschmacks nur deswegen an seinem Vorgänger zu entschuldigen scheinet, um sie der italienischen Nation überhaupt zur Last zu legen, daß, sage ich, diese, und noch mehrere, und noch größere, sich in der Merope des Maffei befinden.
Maffei hatte in seiner Jugend viel Neigung zur Poesie; er machte mit vieler Leichtigkeit Verse, in allen verschiednen Stilen der berühmtesten Dichter seines Landes: doch diese Neigung und diese Leichtigkeit beweisen für das eigentliche Genie, welches zur Tragödie erfodert wird, wenig oder nichts. Hernach legte er sich auf die Geschichte, auf Kritik und Altertümer; und ich zweifle, ob diese Studien die rechte Nahrung für das tragische Genie sind. Er war unter Kirchenväter und Diplomen vergraben, und schrieb wider die Pfaffe und Basnagen, als er, auf gesellschaftliche Veranlassung, seine Merope vor die Hand nahm, und sie in weniger als zwei Monaten zu Stande brachte. Wenn dieser Mann, unter solchen Beschäftigungen, in so kurzer Zeit, ein Meisterstück gemacht hätte, so müßte er der außerordentlichste Kopf gewesen sein; oder eine Tragödie überhaupt ist ein sehr geringfügiges Ding. Was indes ein Gelehrter, von gutem klassischen Geschmacke, der so etwas mehr für eine Erholung als für eine Arbeit ansieht, die seiner würdig wäre, leisten kann, das leistete auch er. Seine Anlage ist gesuchter und ausgedrechselter, als glücklich; seine Charaktere sind mehr nach den Zergliederungen des Moralisten, oder nach bekannten Vorbildern in Büchern, als nach dem Leben geschildert; sein Ausdruck zeigt von mehr Phantasie, als Gefühl; der Literator und der Versificateur läßt sich überall spüren, aber nur selten das Genie und der Dichter.
Als Versificateur läuft er den Beschreibungen und Gleichnissen zu sehr nach. Er hat verschiedene ganz vortreffliche, wahre Gemälde, die in seinem Munde nicht genug bewundert werden könnten; aber in dem Munde seiner Personen unerträglich sind, und in die lächerlichsten Ungereimtheiten ausarten. So ist es, z. E. zwar sehr schicklich, daß Aegisth seinen Kampf mit dem Räuber, den er umgebracht, umständlich beschreibet, denn auf diesen Umständen beruhet seine Verteidigung; daß er aber auch, wenn er den Leichnam in den Fluß geworfen zu haben bekennet, alle, selbst die allerkleinsten, Phänomena malet, die den Fall eines schweren Körpers ins Wasser begleiten, wie er hinein schießt, mit welchem Geräusche er das Wasser zerteilet, das hoch in die Luft spritzet, und wie sich die Flut wieder über ihn zuschließt: (32) das würde man auch nicht einmal einem kalten geschwätzigen Advokaten, der für ihn spräche, verzeihen, geschweige ihm selbst. Wer vor seinem Richter stehet, und sein Leben zu verteidigen hat, dem liegen andere Dinge am Herzen, als daß er in seiner Erzählung so kindisch genau sein könnte.
Als Literator hat er zu viel Achtung für die Simplizität der alten griechischen Sitten, und für das Costume bezeigt, mit welchem wir sie bei dem Homer und Euripides geschildert finden, das aber allerdings um etwas, ich will nicht sagen veredelt, sondern unserm Costume näher gebracht werden muß, wenn es der Rührung im Trauerspiele nicht mehr schädlich, als zuträglich sein soll. Auch hat er zu geflissentlich schöne Stellen aus den Alten nachzuahmen gesucht, ohne zu unterscheiden, aus was für einer Art von Werken er sie entlehnt, und in was für eine Art von Werken er sie überträgt. Nestor ist in der Epopee ein gesprächiger freundlicher Alte; aber der nach ihm gebildete Polydor wird in der Tragödie ein alter ekler Salbader. Wenn Maffei dem vermeintlichen Plane des Euripides hätte folgen wollen: so würde uns der Literator vollends etwas zu lachen gemacht haben. Er hätte es sodann für seine Schuldigkeit geachtet, alle die kleinen Fragmente, die uns von dem Kresphontes übrig sind, zu nutzen, und seinem Werke getreulich einzuflechten. (33) Wo er also geglaubt hätte, daß sie
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