Werke
ununterbrochner Tätigkeit zu erhalten. Man könnte über diese ungeschickte Anstrengung ihres Witzes sagen, daß sie mit den Personen ihres Stücks nicht anders umgehen, als gewisse spaßhafte Leute mit ihren Bekannten, denen sie mit ihren Höflichkeiten so zusetzen, daß sie ihren Anteil an der allgemeinen Unterhaltung gar nicht nehmen können, sondern nur immer, zum Vergnügen der Gesellschaft, Sprünge und Männchen machen müssen.
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Vier und neunzigstes Stück
Den 25sten März, 1768
Und so viel von der Allgemeinheit der komischen Charaktere, und den Grenzen dieser Allgemeinheit, nach der Idee des Hurd! – Doch es wird nötig sein, noch erst die zweite Stelle beizubringen, wo er erklärt zu haben versichert, in wie weit auch den tragischen Charakteren, ob sie schon nur partikular wären, dennoch eine Allgemeinheit zukomme: ehe wir den Schluß überhaupt machen können, ob und wie Hurd mit Diderot, und beide mit dem Aristoteles übereinstimmen.
» Wahrheit, sagt er, heißt in der Poesie ein solcher Ausdruck, als der allgemeinen Natur der Dinge gemäß ist; Falschheit hingegen ein solcher, als sich zwar zu dem vorhabenden besondern Falle schicket, aber nicht mit jener allgemeinen Natur übereinstimmet. Diese Wahrheit des Ausdurcks in der dramatischen Poesie zu erreichen, empfiehlet Horaz (154) zwei Dinge: einmal, die Sokratische Philosophie fleißig zu studieren; zweitens, sich um eine genaue Kenntnis des menschlichen Lebens zu bewerben. Jenes, weil es der eigentümliche Vorzug dieser Schule ist, ad veritatem vitae propius accedere; (155) dieses, um unserer Nachahmung eine desto allgemeinere Ähnlichkeit erteilen zu können. Sich hiervon zu überzeugen, darf man nur erwägen, daß man sich in Werken der Nachahmung an die Wahrheit zu genau halten kann; und dieses auf doppelte Weise. Denn entweder kann der Künstler, wenn er die Natur nachbilden will, sich zu ängstlich befleißigen, alle und jede Besonderheiten seines Gegenstandes anzudeuten, und so die allgemeine Idee der Gattung auszudrücken verfehlen. Oder er kann, wenn er sich diese allgemeine Idee zu erteilen bemüht, sie aus zu vielen Fällen des wirklichen Lebens, nach seinem weitesten Umfange, zusammen setzen; da er sie vielmehr von dem lautern Begriffe, der sich bloß in der Vorstellung der Seele findet, hernehmen sollte. Dieses letztere ist der allgemeine Tadel, womit die Schule der Niederländischen Maler zu belegen, als die ihre Vorbilder aus der wirklichen Natur, und nicht, wie die Italienische, von dem geistigen Ideale der Schönheit entlehnet. (156) Jenes aber entspricht einem andern Fehler, den man gleichfalls den Niederländischen Meistern vorwirft, und der dieser ist, daß sie lieber die besondere, seltsame und groteske, als die allgemeine und reizende Natur, sich zum Vorbilde wählen.
Wir sehen also, daß der Dichter, indem er sich von der eigenen und besondern Wahrheit entfernet, desto getreuer die allgemeine Wahrheit nachahmet. Und hieraus ergibt sich die Antwort auf jenen spitzfindigen Einwurf, den Plato gegen die Poesie ausgegrübelt hatte, und nicht ohne Selbstzufriedenheit vorzutragen schien. Nämlich, daß die poetische Nachahmung uns die Wahrheit nur sehr von weitem zeigen könne. Denn, der poetische Ausdruck, sagt der Philosoph, ist das Abbild von des Dichters eigenen Begriffen; die Begriffe des Dichters sind das Abbild der Dinge; und die Dinge das Abbild des Urbildes, welches in dem göttlichen Verstande existieret. Folglich ist der Ausdruck des Dichters nur das Bild von dem Bilde eines Bildes, und liefert uns ursprüngliche Wahrheit nur gleichsam aus der dritten Hand (157) . Aber alle diese Vernünftelei fällt weg, sobald man die nur gedachte Regel des Dichters gehörig fasset, und fleißig in Ausübung bringet. Denn indem der Dichter von den Wesen alles absondert, was allein das Individuum angehet und unterscheidet, überspringet sein Begriff gleichsam alle die zwischen inne liegenden besondern Gegenstände, und erhebt sich, so viel möglich, zu dem göttlichen Urbilde, um so das unmittelbare Nachbild der Wahrheit zu werden. Hieraus lernt man denn auch einsehen, was und wie viel jenes ungewöhnliche Lob, welches der große Kunstrichter der Dichtkunst erteilet, sagen wolle; daß sie, gegen die Geschichte genommen, das ernstere und philosophischere Studium sei: φιλοσοφωτερον και σπουδαιοτερον ποιησις ίσοριας εσιν . Die Ursache, welche gleich darauf folgt, ist nur gleichfalls
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