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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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von Golkonda? die ist ja schon bei dir; ich habe mit ihr gesprochen. Eine gute, liebe Frau, doch alt ist sie geworden, und lange nicht mehr so hübsch, als zur Zeit ihrer Verheiratung mit einem französischen General! – Weh mir! ich bin wohl nicht die rechte, ich habe wohl nie in Golkonda geherrscht? – Weh mir!« –
    Die Kleine hatte die Augen geschlossen und begann zu wanken. Peregrinus brachte sie auf den Sofa.
    »Gamaheh,« fuhr sie, wie somnambul sprechend, fort, »Gamaheh sagst du? – Gamaheh, die Tochter des Königs Sekakis? Ja, ich erinnere mich, in Famagusta! – ich war eigentlich eine schöne Tulpe – doch nein, schon damals fühlte ich Sehnsucht und Liebe in der Brust. – Still, still davon!«
    Die Kleine schwieg, sie schien ganz einschlummern zu wollen. Peregrinus unternahm das gefährliche Wagestück, sie in eine bequemere Stellung zu bringen. Doch sowie er die Holde sanft umschlang, stach ihn eine versteckte Nadel recht derb in den Finger. Seiner Gewohnheit nach schnippte er mit dem Daumen. Meister Floh hielt das aber für das verabredete Zeichen und setzte ihm augenblicklich das mikroskopische Glas in die Pupille.
    So wie immer erblickte Peregrinus hinter der Hornhaut der Augen das seltsame Geflecht der Nerven und Adern, die bis in das tiefe Gehirn hineingingen. Aber durch dies Geflecht schlangen sich hell blinkende Silberfaden, wohl hundertmal dünner als die Faden des dünnesten Spinngewebes, und eben diese Faden, die endlos zu sein schienen, da sie sich hinausrankten aus dem Gehirn in ein selbst dem mikroskopischen Auge unentdeckbares Etwas, verwirrten, vielleicht Gedanken sublimerer Art, die andern von leichter zu erfassender Gattung. Peregrinus gewahrte bunt durcheinander Blumen, die sich zu Menschen gestalteten, dann wieder Menschen, die in die Erde zerflossen und dann als Steine, Metalle hervorblinkten. Und dazwischen bewegten sich allerlei seltsame Tiere, die sich unzähligemal verwandelten und wunderbare Sprachen redeten. Keine Erscheinung paßte zu der anderen, und in der bangen Klage brustzerreißender Wehmut, die durch die Luft ertönte, schien sich die Dissonanz der Erscheinungen auszusprechen. Doch eben diese Dissonanz verherrlichte nur noch mehr die tiefe Grundharmonie, die siegend hervorbrach und alles, was entzweit geschienen, vereinigte zu ewiger namenloser Lust.
    »Verwirrt,« zischelte Meister Floh, »verwirrt Euch nicht, guter Herr Peregrinus, das sind Gedanken des Traums, die Ihr da schaut. Sollte auch vielleicht noch etwas mehr dahinterstecken, so ist es wohl jetzt nicht an der Zeit, das weiter zu untersuchen. Ruft nur die verführerische Kleine bei ihrem rechten Namen und fragt sie dann aus, wie Ihr nur Lust habt.«
    Da die Kleine verschiedene Namen führte, so hätte es, wie man denken sollte, dem Peregrinus schwer fallen müssen, den rechten zu treffen. Peregrinus rief aber, ohne sich im mindesten zu besinnen: »Dörtje Elverdink! Holdes, liebes Mädchen! wäre es kein Trug? wäre es möglich, daß du mich wirklich lieben könntest?« Sogleich erwachte die Kleine aus ihrem träumerischen Zustande, schlug die Äugelein auf und sprach mit leuchtendem Blick: »Welche Zweifel, mein Peregrinus? Kann ein Mädchen wohl das beginnen, was ich begann, wenn nicht die glühendste Liebe ihre Brust erfüllt? Peregrinus, ich liebe dich, wie keinen andern, und willst du mein sein, so bin ich dein mit ganzer Seele und bleibe bei dir, weil ich nicht von dir lassen kann, und nicht etwa bloß, um der Tyrannei des Onkels zu entfliehen.«
    Die Silberfaden waren verschwunden, und die gehörig geordneten Gedanken lauteten: »Wie ist das zugegangen? Erst heuchelte ich ihm Liebe, bloß um den Meister Floh mir und dem Leuwenhoek wiederzugewinnen, und jetzt bin ich ihm in der Tat gut geworden. Ich habe mich in meinen eignen Fallstricken gefangen. Ich denke kaum mehr an den Meister Floh, ich möchte ewig dem Mann angehören, der mir liebenswürdiger vorkommt als alle, die ich bis jetzt gesehen.«
    Man kann sich vorstellen, wie diese Gedanken alles selige Entzücken in Peregrinus’ Brust entflammten. Er fiel vor der Holden nieder, bedeckte ihre Händchen mit tausend glühenden Küssen, nannte sie seine Wonne, seinen Himmel, sein ganzes Glück. –
    »Nun,« lispelte die Kleine, indem sie ihn sanft an ihre Seite zog, »nun, mein Teurer, wirst du gewiß einen Wunsch nicht zurückweisen, von dessen Erfüllung die Ruhe, ja das ganze Dasein deiner Geliebten abhängt.« –
    »Verlange,« erwiderte

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